Dynamischer Ausverkauf / Beim einst gut betuchten BFC Dynamo regiert nun der Insolvenzverwalter

Die negativen Meldungen nehmen kein Ende. Volkmar Wanski, einst Präsident des BFC Dynamo, bezifferte am 19. Dezember den aktuellen Schuldenstand des Fußball-Oberligisten in Insolvenz mit 7,1 Millionen Mark. Bauunternehmer Wanski hatte Ende November, als beim BFC Dynamo nichts mehr ging, 30.000 Mark aufgebracht, damit überhaupt das Insolvenzverfahren eröffnet werden konnte. Zuvor hatte der unaufhaltsame Abstieg des Klubs aus Hohenschönhausen mit der Rücknahme der ersten Mannschaft aus dem Spielbetrieb der Oberliga Nord einen Höhepunkt gefunden. Mitte November war auch Trainer Jürgen Bogs zurückgetreten. Der galt als letztes Relikt aus alten, besseren Tagen.

Der 54-Jährige wurde zehnmal DDR-Meister mit dem BFC zwischen 1979 und 1988. Die enormen Schulden, sagt Wanski, der den Verein von August 1995 bis ins Jahr 2000 führte, seien zum größten Teil erst unter dem letzten Sportdirektor Hans Reker angehäuft worden. "Das alte Präsidium um Reker wollte den Verein in Konkurs gehen lassen, damit ein Deckel draufkommt und ihre Taten nicht öffentlich werden." Eine wichtige Aussage von Volkmar Wanski, denn in der Vergangenheit gab es immer wieder Vorwürfe an ehemalige Funktionäre, die Anfang der 90er-Jahre den Klub führten. Wo sind die Millionen geblieben, die der BFC Dynamo, der zwischenzeitlich als FC Berlin firmierte, nach dem Verkauf vieler Auswahlspieler bekommen hatte?

Antworten gab es keine. Die zahlreichen spektakulären Transfers fielen vor allem in die Amtszeit von Dr. Dieter Fuchs und Dr. Wolfgang Hösrich. Fuchs, einst Cheftrainer des DDR-Fußball-Verbandes, war von August 1990 bis Juni 1995 Manager und Geschäftsführer des FC Berlin, arbeitete später noch ein Jahr ehrenamtlich. Hösrich, ein Internist, bekleidete von 1989 bis 1994 das Präsidentenamt. Hösrich ist noch immer Vereinsmitglied und - was nahezu unbekannt ist - sogar Ehrenpräsident. Er sagt: "Die Präsidenten, die nach mir kamen, hatten mit Ausnahme von Herrn Wanski kein Interesse am Verein, haben selten Engagement gezeigt. Die Millionen, die der Verein einst besaß, wurden in meiner Amtszeit nicht verschludert."

Der "Berliner Zeitung" liegen die von einem Steuerberater geprüften Bilanzen mit Einnahmen und Ausgaben aus den neunziger Jahren vor. Das Dilemma des Vereins lag nach 1990 in seinem Image als ehemaliger, vom Ministerium für Staatssicherheit unterstützter Klub. Hösrich: "Wir hatten kaum Sponsoren, nur wenige Zuschauer und Mitglieder. Und wir unterhielten eine große Nachwuchsabteilung. So kam kaum Geld in die Kasse. Wir zehrten lange von den Verkäufen unserer besten Leute. Aber irgendwann wurde dieses Geld weniger, weil wir ja auch neue Spieler brauchten." Die Vereinskasse war vor allem nach den beiden spektakulären Transfers von Andreas Thom und Thomas Doll gut gefüllt.

Thoms Wechsel im November 1989 zu Bayer Leverkusen war der erste Transfer eines Ost-Spielers mit dem Segen des DDR-Fußballverbandes. 3,6 Millionen Mark betrug insgesamt das Volumen des Deals, Bayer zahlte in zwei Raten. Wobei die zweite Rate nach den Einsätzen von Thom gestaffelt war. Später, als Thom von Leverkusen zu Celtic Glasgow wechselte, bekam der FC Berlin laut Transfervertrag noch einen Nachschlag von fast 200.000 Mark. Noch besser lief das Geschäft mit Thomas Doll. Zuerst zahlte der Hamburger SV 2,3 Millionen Mark Ablöse, später, als der Angreifer zu Lazio Rom transferiert wurde (für rund 17 Mio. Mark) bekamen die Berliner noch einmal 1,3 Millionen als Nachzahlung überwiesen.

Trotz dieser üppigen Summen schrumpfte das Vermögen des Vereins kontinuierlich. Allein für die Nachwuchsabteilung, einst für sehr gute Ausbildung bekannt, brauchte man jährlich etwa 400.000 Mark. Außerhalb des Postens "Transfers" blieb die Einnahme-Situation problematisch. Der Zuschauerschnitt lag bei etwa 400, nur zu den Heimspielen gegen den 1. FC Union kamen 2 000 oder auch 3 000 Menschen. Die Eintrittspreise waren niedrig. Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen - bei nur einem Häuflein von 150 bis 200 eingetragenen BFCern - blieben eine Marginalie. Üppige Gehälter zahlte man beim FC Berlin nicht, obwohl die Spieler auf höheres Salär drängten. Ihre Gehälter lagen 1990/91 zwischen 3 000 und 6 000 Mark, Trainer erhielten 4 000 bis 6 000, Mitarbeiter der Geschäftsstelle 2 300 bis 5 000 Mark.

Hendrik Herzog, der später bei Schalke 04, VfB Stuttgart und Hertha BSC spielte, war mit 6 000 Mark der Spitzenverdiener. Hinzu kamen Siegprämien, die sich Anfang der 90er-Jahre bei rund 600 Mark pro Erfolg bewegten. Nur einen Vorgang, der in den Wendezeiten vom Dilettantismus einiger BFC-Verantwortlicher kündet, muss man diesen vorwerfen. Damals ließen sich die BFCer von windigen Geschäftemachern einwickeln. Man kaufte Motorroller aus Kanada, um diese später günstig weiterveräußern zu können. Das Geld sollte in die Klubkasse fließen. 240 Roller standen schließlich in einer Traglufthalle im Sportforum. Später stellte sich heraus, dass diese Fahrzeuge, für die es durchaus Interessenten gab, für Europa nicht zugelassen waren.

Man hätte sie umrüsten müssen. Der Gesamtverlust bei diesem missglückten Geschäft in einer fußballfremden Sparte belief sich auf rund 300.000 Mark. Volkmar Wanski wirft seinen Vorgängern nach so vielen Jahren diese Handlungen nicht vor. Der Bauunternehmer, der nicht mehr ins Präsidentenamt strebt, sagt nur: "Die haben damals nur zu wenig getan, dass zu dem vorhandenen Geld neues hinzukam. Die hätten vielleicht sinnvoller einkaufen sollen." Das waren noch Zeiten: Transfervereinbarungen wurden auf einem DIN-A-4-Blatt getroffen - selbst bei einem Millionentransfer wie dem von Thomas Doll vom FC Berlin zum Hamburger SV.

Der Wortlaut mit Datum 8. 5. 90:
Transfervertrag
Der Verein FC Berlin und der HSV vereinbaren für den Spieler Thomas Doll eine Transferentschädigung in Höhe von DM 2.300.000. Zahlbar bis 15.7.90 auf ein vom FC Berlin anzugebendes Konto. FC Berlin verpflichtet sich die Formalitäten zur Freigabe des Spielers für den HSV in die Wege zu leiten. Die Zahlung ist erst fällig, wenn die Freigabe der Verbände für den HSV vorliegt. Der HSV verpflichtet sich entsprechend der internationalen Regeln den Spieler Doll für Auswahlspiele der DDR freizugeben und zu versichern. Bei einem Transfer des Spielers vor dem 30.6.93 vom HSV zu einem anderen Verein steht dem FC Berlin 10% der Ablösesumme zu die über DM 2,3 Mio hinausgeht. Voraussetzung für diese Vereinbarung ist ein rechtsgültiger Lizenzvertrag zwischen dem HSV und Thomas Doll.

Vermögensentwicklung des BFC/FC Berlin:
Gesamtvermögen 9. August 1990:66465,552 Millionen Mark
Gesamtvermögen 30. Juni 1991:
646643,828 Millionen Mark
Gesamtvermögen 31. Dezember 1992: 3,831 Millionen Mark
Gesamtvermögen 30. Juni 1993:
646642,800 Millionen Mark
Gesamtvermögen 30. Juni 1994:
646642,000 Millionen Mark
Gesamtvermögen 30. Juni 1995:
646641,100 Millionen Mark
Gesamtvermögen 30. Juni 1996:
6466466466466500.000 Mark

Die wichtigsten Verkäufe von 1989 bis 1994
Andreas Thom     Bayer Leverkusen       3.400.000 Mark Ablöse
Thomas Doll      Hamburger SV
          2.300.000 Mark Ablöse
Frank Rohde      Hamburger SV
            300.000 Mark Ablöse
René
6Rydlewicz000Bayer6Leverkusen000000000045.000 Mark Ablöse
Rainer Ernst
000001. FC Kaiserslautern00000700.000 Mark Ablöse
Hendrik Herzog   FC Schalke
00400000000001.100.000 Mark Ablöse
Heiko Bonan      VfL Bochum
              600.000 Mark Ablöse
Burkhard Reich   Karlsruher SC
040000400004600.000 Mark Ablöse
Thorsten Boer    Chemnitzer FC
040000400004250.000 Mark Ablöse
Toralf Arndt     FC Rot-Weiß Erfurt
4004004200.000 Mark Ablöse
Uwe Szangolies   FC Carl Zeiss Jena
      250.000 Mark Ablöse
Dirk Anders      VfB Leipzig
40040040040040200.000 Mark Ablöse
Mario Tolkmitt   Bayer Leverkusen
        500.000 Mark Ablöse

Michael Jahn, Berliner Zeitung, 24.12.2001