Hell's Angels kandidieren beim BFC / Präsidiumsmitglied Zimmermann tritt zurück

Sogar das Landeskriminalamt, Abteilung Staatsschutz, interessiert sich für die außerordentliche Mitgliederversammlung des Berliner FC Dynamo an diesem Montag im Sportforum und will Beobachter entsenden. Besorgte Mitglieder sollen die Beamten auf die Vorgänge beim ehemaligen DDR-Rekordmeister aufmerksam gemacht haben: Der mit sieben Millionen Mark verschuldete Insolvenzklub wählt ein neues Präsidium - mit Rayk Bernt und André Sommer an der Spitze, das ist so gut wie sicher. Beide, bisher nur im Übergangsvorstand, sind Mitglieder der Rockergang "Hell s Angels", die nach Auskunft der Berliner Polizei in der Hauptstadt zwar nicht verboten ist, aber wegen diverser Straftaten von Zuhälterei über Drogenhandel bis Anstiftung zum Mord in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Brandenburg.

"Der Verein bekommt durch Bernt und Sommer ein Image, mit dem ich mich nicht mehr identifizieren kann", sagt Holger Zimmermann, BFC-Pressesprecher und bis Sonnabend noch das dritte Präsidiumsmitglied. Dann erklärte er seinen Rücktritt. "Bei Dynamo passieren merkwürdige Dinge, mit denen will ich jetzt nichts mehr zu tun haben", sagt der Unternehmer. Es bleibt wie so oft beim BFC bei Andeutungen. Der Klub scheint aus den Fehlern nichts gelernt zu haben. Denn auch diese Versammlung soll nicht öffentlich sein (auf Beschluss von Bernt und Sommer, gegen Zimmermanns Votum) - wie schon die letzte vor vier Monaten, als gelogen wurde, dass sich die Balken bogen.

Vor allem, was den Schuldenstand angeht. "Mitgliederversammlung - das besagt schon, dass das, was da passiert, nur die Mitglieder angeht", sagt André Sommer, der lange Jahre der Hooligan-Szene beim BFC angehört haben soll und keinen Hehl daraus macht. Für weitere Auskünfte, erklärt er kurz, stehe er nicht zur Verfügung. "Machen Sie einen Termin - aber frühestens am Dienstag". Bis dahin wollen die Hell s Angels beim BFC endgültig das Kommando führen. Den Mitgliedern bleibt keine Wahl. Der ehemalige BFC-Präsident Volkmar Wanski, der vor anderthalb Jahren zurücktrat, nennt Bernt und Sommer seine "Vertrauensleute" und sagt zum Image der beiden: "Was einer privat macht, interessiert mich nicht."

Wanski ist der Strippenzieher im Hintergrund. Er gab bereits 30.000 Mark, damit das Insolvenzverfahren eröffnet werden konnte. Der Bauunternehmer kündigte auch öffentlich an, die 200.000 Mark aufbringen zu wollen, die nötig sind, um das Insolvenzverfahren abzuwickeln und kommende Saison in der Verbandsliga neu zu beginnen. Andernfalls drohen Konkurs und Sturz bis in die Kreisliga. Wanski selbst steht aus persönlichen Gründen, wie er sagt, nicht für das Amt des Klubchefs zur Verfügung, möchte aber sein Schattenkabinett installieren. Die Opposition, die auch einen Antrag auf Abwahl von Bernt und Sommer gestellt hat, soll offenkundig mundtot gemacht werden. Das beginnt damit, dass die Versammlung in einem Saal stattfinden soll, der nur hundert Mitgliedern Platz bietet - 250 BFCler wollen jedoch kommen.

Sommer lehnte ein Ausweichen ab. Im kleinen Kreis sollen er und Bernt zudem angekündigt haben, die Versammlung in wenigen Minuten durchziehen zu wollen, zwölf Anträge der Mitglieder hin oder her. Ein Insider: "Die wollen uns alle erpressen - entweder wir wählen sie, oder der Verein ist tot." Sommer hat sich auch privat die Rechte am BFC-Logo gesichert. Die Fanartikel sind wegen ihres Kult-Status immer noch begehrt, es ist eine der letzten sprudelnden Quellen des Vereins, der einst eine Talentschmiede war und nun die Abwanderung von 120 Jugendspielern binnen kurzer Zeit beklagt. Zimmermann sagt: "Die Lage ist trostlos. Es gibt niemanden, der sonst noch Geld für den BFC gibt."

Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 26.11.2001