Zukunft weiter ungewiss / Insolvenzverfahren gegen Dynamo eröffnet

Könnte man aus Ankündigungen, Träumen und Wunschdenken ein Haus bauen, so hätte sich der BFC Dynamo in den vergangenen 18 Monaten eine stattliche Immobilie erschaffen. In einer - wir vermuten mal - weiträumigen Empfangshalle empfängt Sport-Manager Hans Reker, der den Großteil des Baumaterials beschafft hat, alle Besucher mit einem flotten Spruch und seinem hinter einer getönten Brille etwas versteckten Lächeln. Stolz geleitet er staunende Medienvertreter und andere Gäste über die - geschätzt - drei Etagen. Vor dem weinrot verputzten Bau, den die Baubehörde wegen ihrer grellen Farbe und des etwas überdimensionierten Dachgeschosses nur nach hartnäckigem Überreden angenommen hatte, blinkt ein silberfarbener Mercedes in der Sonne.

Der Eigentümer dieses Hauses spielt an der Spitze der Regionalliga mit. Eines Tages lässt ihn die Krankenkasse wissen, dass man eine nichtganz unerhebliche Forderung hat. Doch das ist kein Problem, man nimmt schnell eine Hypothek auf und zahlt den Gläubiger aus. In den Anfangsmonaten des Jahres 2001 kam beim BFC tatsächlich die Krankenkasse vorbei. Da der BFC bekannter Maßen nicht über das vorgestellte Haus verfügt und auch sonst kein Geld mehr hatte, um der AOK 126.000 DM zu bezahlen, stellte diese im Juni 2001 beim Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag. Anstatt das Verfahren auch von Vereinsseite zu betreiben, um bis zum 30. Juni eine Verfahrensöffnung zu erreichen, setzte das BFC-Präsidium mehrheitlich auf das Prinzip Hoffnung.

Eine Hoffnung, die dem Hauptsponsor Lipro und dessen Vorstandsvorsitzenden Dr. Küchler einen gewährten Kredit bewahren sollte - und die letztlich trog. Sie kostete Dynamo den Oberliga-Platz. Regelmäßig trudelten nun Hiobsbotschaften ein im Hohenschönhausener Sportforum, in dem der BFC zur Miete untergebracht ist: Rücktritt der Präsidentin Seidel-Kalmutzki (25.06.), Weggang Mba (31.07.), Spielberechtigung Bodo Rudwaleit (11.08.), kein Juli-Gehalt (15.08.), Abflug der Rumänen (17.08.), Ankündigung der Verfahrenseröffnung (12.09.), Ankündigung der Kündigung aller Angestellten (16.10.). Für die letzten Meldungen sorgte dabei nicht mehr der BFC selbst, sondern Dr. Phillipp Hackländer aus der Kanzlei Schröder.

Dieser war vom Amtsgericht als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt worden, arrangierte eine dreimonatige Finanzierung der Spieler durch eine Bank sowie das Arbeitsamt und übernahm die Kontrolle der in geringen Mengen eingehenden Geld-Mittel. Aber selbst diese reichten nicht, um die Kosten in Höhe von 30.000 DM für das seit dem 1. November laufende Insolvenzverfahren zu decken. Durch diese Situation, die Reker vor wenigen Wochen noch mit kraftvollen Worten ausgeschlossen hatte, wäre es in der vergangenen Woche vermutlich mangels einer kostendeckenden Masse zur Löschung des 10maligen DDR-Meisters aus dem Vereinsregister gekommen.

Doch nachdem am Montag, wie in den Monaten zuvor, weitere Sponsorengespräche gescheitert waren, schoss am Dienstag Volkmar Wanski, ehemaliger Präsident des BFC, die erforderliche Summe dazu. Kurz vorher waren alle Präsidiumsmitglieder (Hans Reker, Günter Haake, Emil Lindemann) zurückgetreten und von den zwei anwesenden des auf sieben Mitglieder konzipierten Wirtschaftsrates drei neue Präsidiumsmitglieder kooptiert worden: Neben Pressesprecher Holger Zimmermann führen jetzt André Sommer und Rayk Bernt, hinter denen eine Sponsorengruppe stehen soll, die Geschäfte. Letzterer erläuterte im Anschluss den Spielern und Agestellten das "Zukunftskonzept".

Es sieht zunächst die Fortführung des Spielbetriebes unter reinen Amateurbedingungen vor, wobei "rein" tatsächlich als Nichtzahlung jeglicher Aufwandsentschädigung zu verstehen sei (inzwischen wurden 300 Mark Aufwandsentschädigung angeboten). Dies bewog am Mittwoch Danuts Oprea zur Rückkehr in seine rumänische Heimat sowie Marcel Niespodziany zur Kündigung. Er kam damit der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Donnerstag ausgesprochenen Kündigungen des Insolvenzverwalters zuvor. Am Freitag schließlich sammelte Jürgen Bogs seine verbliebenen Schäfchen für das Pflicht-Freundschaftsspiel. Die Total-Pleite, verbunden mit einer Vereinsneugründung, ist dadurch ausgeschlossen.

Mehrere 100.000 Mark werden inzwischen veranschlagt, um die Gläubiger, die Ansprüche in Höhe von 6,6 Mio DM haben, zu einem Vergleich zu bewegen. Danach soll in der Verbandsliga ein solides Fundament gelegt werden - damit man guten Gewissens auch wieder Gäste empfangen kann. Letzter Stand der Dinge: Ihre Pässe haben sich abgeholt: Lenz, Thomaschewski (zu Babelsberg 03), Stein, Richter, Rehmann, Suwary, Breitenfelder (nach Österreich), Niespodziany, S. Müller, Vilk (zu Lichtenberg 47 ?).

Ingmar Höfgen, Fußballwoche, 05.11.2001