Seit Anfang des Monats läuft gegen den BFC Dynamo ein Insolvenz-Verfahren. Damit muss der zehnmalige DDR-Meister nächste Saison in der 5. Liga neu anfangen.

Wer hätte vermutet, dass einmal 30.000 Mark über das Bestehen oder Nichtbestehen des BFC Dynamo den Ausschlag geben würden? Dass diese Summe ausreichen könnte, das dortige Präsidium auszuwechseln? Wohl kaum jemand. Geschehen ist es am 30. Oktober 2001, 12 Uhr. Nach dem Rücktritt der Herren Reker, Haake und Lindemann beorderte der Geldgeber und Ex-Präsident Volkmar Wanski seine Vertrauensleute Andre Sommer und Rayk Bernt ins Führungsgremium, dazu gesellte sich Pressesprecher Holger Zimmermann. Anschließend gab Wanski das Geld frei, es dient der Abwicklung des Insolvenzverfahrens des zehnmaligen DDR-Meisters.

Über zehn Millionen Mark brachten die Transfers von Thom, Doll, Ernst, Reich und anderen Anfang der 90er Jahre in die Kassen des am 19. Februar 1990 flugs in FC Berlin umbenannten Klubs. Andere nennenswerte Einnahmen gab's jedoch nicht. So schmolz der Etat mit jeder Saison weiter ab. Zwar spielte der FCB 1991 und 1992 noch um den Einzug in die 2. Bundesliga, in den folgenden sieben Jahren bewegte er sich jedoch zwischen Mittelmaß und Abstiegszone der Drittklassigkeit. Zu diesem Zeitpunkt war mit Volkmar Wanski erstmals ein Präsident am Ruder, der zugleich als Sponsor auftrat. Bei seinem Amtsantritt waren die Kassen leer. Fortan hing der Verein fast an Wanskis Tropf.

Finanzielle Engpässe fing er auf, zahlreiche Entscheidungen traf er allein. Trotzdem blieb vieles im Argen, händeringend wurde ein Manager gesucht - Hans Reker wurde es. Wieder einmal standen Millionensummen im Raum, die das Softwarehaus Lipro zur Verfügung stellen wollte. Aber auch die Verbindlichkeiten waren erheblich: Auf über 350.000 Mark wurden die Außenstände beziffert, unerwartet forderte das Finanzamt eine Nachzahlung in gleicher Höhe, zudem gewährte Wanski dem Verein einen 500.000-Mark-Kredit. Reker begann seine Arbeit, holte neue Spieler - und als das Präsidium im Juni die Verträge sehen wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass nach Ansicht von Lipro allein Reker das Sagen haben soll.

Wanski trat samt Präsidium zurück, wenig später kürte der Wirtschaftsrat Karin Seidel-Kalmutzki zur Präsidentin. Sportlich wurde der Aufstieg in den Blickpunkt gerückt. Mehr als 2,5 Millionen Mark sollen von Lipro zur Verfügung gestanden haben - als Kredit, wie es später hieß. Bereits das Gehalt für Februar 2001 konnte jedoch nicht mehr aufgebracht werden. Die Spieler murrten, ließen sich von Reker beschwichtigen, hielten lange still und spielten trotz geplatzter Lohnschecks die Saison zu Ende. Schnell stand nach dem Scheitern in den Aufstiegsspielen zur Regionalliga gegen Magdeburg die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Raum, im Juni stellte die AOK einen entsprechenden Antrag. Das Problem: Die inzwischen klamme Lipro hätte den gewährten Kredit ausbuchen müssen.

Reker und Lipro entschieden sich gegen einen eiligen Verfahrensbeginn. Die Präsidentin Seidel-Kalmutzki trat zurück. Für die neue Saison wurde in "alter Bescheidenheit" ein BFC-Etat von 1,4 Millionen Mark geplant. Mit den 30.000 Mark von dritter Seite ist am 1. November 2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des mit knapp sieben Millionen Mark verschuldeten Vereins eröffnet worden. Wäre dies bis zum 30. Juni geschehen, würde der BFC jetzt statt mit Pflicht-Freundschaftsspielen regulär am Spielbetrieb teilnehmen. nächsten Jahr startet der Neuanfang in der Verbandsliga Berlin - sofern eine Einigung mit den Gläubigern erzielt werden kann. Gelingt dies nicht, droht dem BFC ein Neubeginn in der Kreisliga E.

Ingmar Höfgen, Kicker, November 2001