BFC Dynamo droht die Kreisliga C / Insolvenzverwalter führt die Geschäfte

Zum Feiern ist eigentlich keinem zu Mute. Der Absturz bis ins Niemandsland der Oberliga-Tabelle und Insolvenz-Gerüchte drücken auf die Stimmung beim Berliner FC Dynamo. Dennoch bitten die Fans nach dem Spiel am Sonnabend zu einer Party. In einem Café in Berlin-Mitte wird zehn Mark Eintritt erhoben - der Erlös geht an Trainer Jürgen Bogs und Torwart Nico Thomaschewski. Die beiden sind von der finanziellen Notlage beim DDR-Rekordmeister vermeintlich am stärksten betroffen, weil sie noch auf Gehälter aus der letzten Saison warten. Der Klub steht bereits unter vorläufiger Insolvenzverwaltung durch die Berliner Kanzlei Schröder. Der zuständige Anwalt Phillipp Hackländer sagt nun: "Wir gehen davon aus, dass wir am 1. November dem Amtsgericht Charlottenburg vorschlagen werden, das Insolvenzverfahren zu eröffnen."

Der Verein müsse bis dahin eine Summe zwischen 400.000 und 500.000 Mark aufbringen. "Ich sehe aber nicht, woher dieses Geld noch kommen soll", sagt Hackländer. Laut Hackländer fordern die Krankenkassen AOK und Barmer 250.000 Mark, hinzu kommen in fast gleicher Höhe drei Monatsgehälter für die Spieler. Das sind die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Obendrein schuldet der BFC dem selbst unter Insolvenzverwaltung stehenden Hauptsponsor Lipro noch mindestens 2,5 Millionen Mark, gewährt in Form von Darlehen, die im Dezember 2002 fällig werden. "Keiner kann im Moment die Schuldenlage überblicken, es gibt die wildesten Zahlen", sagt Hackländer. Zwischen drei und sechs Millionen Mark sollen es sein.

Seit einigen Wochen sind der Vereinsführung die Hände gebunden. Keinerlei Ausgaben sind mehr gestattet. Immer mehr Spieler verlassen den Oberligisten. Und die Situation dürfte sich kurzfristig weiter zuspitzen. Sportdirektor Reker sieht eine Überlebenschance darin, sich bis Monatsende von weiteren Gehaltsempfängern zu trennen. Womöglich meint Reker damit sogar sich selbst, wenngleich er seit über einem Jahr kein Geld mehr vom BFC bezogen hat. Doch der Sportdirektor gilt für viele Fans als Sündenbock. Weil er für die Oberliga eine völlig überteuerte Mannschaft (2,3 Millionen Mark Etat in der letzten Saison) zusammengestellt hat und seit Monaten ohne Erfolg die Rettung verspricht.

Vielleicht wird dem Klub sogar zum Verhängnis, dass er - so paradox sich das anhört - in einem Bereich seriös arbeitet. Hackländer sagt, er wisse von vielen Amateurklubs, die den Spielern lediglich ein Fixum von 300 Mark im Monat überweisen, "den Rest gibt es schwarz". Der BFC führt angeblich saubere Gehaltskonten. Reker verweist darauf, dass der Traditionsverein für die Sünden der Vergangenheit blute. Gleich nach der Wende lagerten angeblich elf Millionen Mark auf dem Klubkonto, aus Transfererlösen für Spieler wie Andreas Thom. "Es gibt keine Unterlagen mehr über diese Zeit, keiner weiß, wer sich da bedient hat", sagt Reker. In jedem fall siecht der BFC seitdem nur noch dahin. Nun gibt es mehrere Varianten.

Nur Mister X, ein großzügiger Geldgeber, den noch keiner kennt, könnte die Insolvenz noch vermeiden. Wahrscheinlicher aber ist Variante zwei: "Wenn wir das Insolvenzverfahren eröffnen und positiv ausklingen lassen, würde der BFC wenigstens nicht vor die Hunde gehen", freundet sich auch Reker mittlerweile mit einem sauberen Schnitt an. Das hieße laut Reglement ein Neuanfang in der Verbandsliga. Am schlimmsten träfe es den verein bei Nichteröffnung des Verfahrens mangels Masse. Dann müsste der ruhmreiche BFC unter neuem Namen in der Kreisliga C beginnen. Reker weiß nur eines: "Wir haben noch viele Freunde, die zumindest diese Demütigung verhindern werden."

Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 07./08.10.2001