Reißt Lipro den BFC mit in die Tiefe? / 80 Mitarbeiter des Software-Unternehmens fürchten um ihre Arbeitsplätze / Vorstand hofft auf Landesbürgschaft

Mahlsdorf - Die Finanzkrise bei der Softwarefirma Lipro verschärft auch die Situation bei dem ums Überleben kämpfenden Fußballklub BFC Dynamo. Bei der Lipro AG hatte am Mittwoch vergangener Woche ein Insolvenzverwalter die Geschäfte übernommen, 80 Mitarbeiter fürchten jetzt um ihren Job. Doch sollte das Unternehmen an der Landsberger Straße 267 untergehen, könnte dies auch das Aus für den BFC Dynamo bedeuten. Die Lipro AG, dessen Vorstandsvorsitzender Dietmar Küchler vor noch gar nicht allzu langer Zeit nach jedem Kick Stammgast im VIP-Zelt war, ist noch immer Hauptsponsor des ebenfalls schwer angeschlagenen Vereins.

Dessen Talfahrt begann zu der Zeit, als die Firma für Logistik, Information und Produktion am Neuen Markt eiskalt erwischt wurde. Auf der Homepage des Unternehmens wird der BFC als unterstützter Verein noch immer geführt. Verschwunden ist dagegen Küchler aus dem VIP-Zelt. Das Verfahren ist allerdings laut BFC-Sportdirektor Hans Reker noch nicht eröffnet. Der sagte in jüngster Vergangenheit: "Lipro hat auch für diese Saison einen Vertrag unterschrieben und wird Sponsor bleiben." Was dem Klub aber nichts nützt, wenn von dort kein Geld zu erwarten ist. Dabei hat, laut Reker, die AG bereits den größten Teil der Altschulden des Vereins übernommen und "einen großen Anteil daran, dass wir nicht schon im vergangenen Jahr - da musste ich sieben Insolvenzverfahren abwenden - so tief in der Krise steckten" (Reker).

Genaue Zahlen wollte er nicht nennen, Insider gehen aber von rund 2,5 Millionen Mark aus. Am Dienstag hatten eine ehemalige Lipro-Mitarbeiterin und zwei Krankenkassen wegen ausstehender Lohn- und Beitragszahlungen ein vorläufiges Insolvenzverfahren erwirkt. Lipro führte seit Monaten keine Beiträge an die Krankenkassen ab und die Mitarbeiter akzeptieren seit März Abschlagszahlungen des Unternehmens. Angeschlagen ist auch der BFC Dynamo - einst DDR-Seriensieger, inzwischen in die Viertklassigkeit abgerutscht. Die Angestellten in Geschäftsstelle und auf dem Rasen warten seit Dezember auf Geld. Zwischenzeitlich gab es immer mal Hilfe durch Fans oder kleinere Zahlungen, die aber bei weitem nicht die Ansprüche decken.

Die Verbindlichkeiten gegenüber beiden Gläubigern belaufen sich bei Lipro nunmehr auf eine halbe Million Mark. Beim Hohenschönhausener Fußballverein müssen drei Millionen kurzfristige Verbindlichkeiten beglichen werden. In einer Belegschaftsversammlung am vergangenen Freitag forderten die Lipro-Mitarbeiter, das Insolvenzverfahren sofort auszusetzen. Die zahlreich erschienene Politikerprominenz versuchte den um ihren Job kämpfenden Männern und Frauen den Rücken zu stärken. Allen voran der Spitzenkandidat der PDS für die Abgeordnetenhauswahl, Gregor Gysi (PDS): "In Berlin müssen endlich zukunftsträchtige Unternehmen wie Lipro mit dem gleichen Engagement gefördert werden, wie klassische."

Derweil hat sich auch beim BFC ein Insolvenzverwalter an die Arbeit gemacht. Gespräche mit Angestellten und der Krankenkasse stehen aus. Zur finanziellen Situation von Lipro sagte Detlef Zelinski, Interessenvertreter der Belegschaft: Gegenwärtige und potenzielle Kunden stünden in Abwarteposition, in- und ausländische Investoren in der Warteschleife, ebenso das Land Berlin. Doch bei Lipro hat man noch nicht aufgegeben: Finanz-Manager Dr. Roy Wenske optimistisch: "Wir erarbeiten gerade ein Sanierungskonzept, mit dem wir in den Konkurrenzkampf eintreten und sogar Marktbeherrscher im Mittelstand zu werden."

Regina Söffker / Diana Becht-Zwetkov, Berliner Morgenpost, 20.08.2001