Balanceakt am Rande der Insolvenz / Der BFC Dynamo hofft auf geduldige Gläubiger

Das Verhalten war symbolisch für die Politik des Klubs in den letzten Wochen: Heimlichtuerei statt Offenheit regierte auch bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Berliner FC Dynamo. Erst sollten die Mitglieder abstimmen dürfen, ob Vertreter der Presse anwesend sein können, dann sperrte die Klubführung die Berichterstatter mit einem Präsidiumsbeschluss aus, der angeblich eine Minute vor der Versammlung am Dienstagabend gefällt wurde. Erst tags darauf war Vizepräsident Günter Haake um offene Worte bemüht: "Wir befinden uns in einem knallharten Überlebenskampf, von dem wir noch nicht wissen, wie er ausgeht." 5,5 Millionen Mark Schulden drücken den Fußball-Oberligisten.

Davon sind 1,3 Millionen kurzfristige Verbindlichkeiten und 4,2 Millionen in Darlehensform von Hauptsponsor Lipro AG, die Dezember 2002 fällig werden. Hier ist der BFC in Gesprächen mit Lipro derzeit ebenso um Fristverlängerung bemüht wie bei einigen anderen Gläubigern, die bereits einen Insolvenzantrag gestellt haben (wie die Krankenkasse AOK, die 120.000 Mark einfordert) oder dies erwägen. Für die 115 anwesenden BFC-Mitglieder waren es drei unangenehme Stunden im Sitzungssaal der Klub-Geschäftsstelle, wo es zeitweise hoch herging. Forderungen nach dem Rücktritt und strafrechtlicher Verfolgung des Präsidiums, das die Vorsitzende Karin Seidel-Kalmutzki bereits auf eigenen Wunsch verlassen hat, wurden laut.

Die SPD-Politikerin beklagte bei der Versammlung erneut, ihr sei von Präsidiumskollegen die Einsicht in Verträge verwehrt worden. Zum Abschied gab es für sie, die sichtlich bewegt war, Applaus; nicht nur, weil sie für die Jugendabteilung einen Scheck (10.000 Mark) überreichte. Der von ihr attackierte Vizepräsident und Sportdirektor Hans Reker hatte sich erst gar nicht vor die wütenden Mitglieder getraut, wollte diesen weismachen, er sei im Trainingslager in Tschechien unabkömmlich. In Karlovy Vary bereitet sich derzeit Trainer Jürgen Bogs mit einem runderneuerten Kader auf eine ungewisse Saison vor. Vizepräsident Haake wollte nicht verhehlen, dass der neue Etat von zwei Millionen Mark nur teilweise gedeckt sei und er weiter "Klinken putzen" müsse.

Laut Haake, der von Lipro bezahlt wird, gibt es einen neuen Hauptsponsoringvertrag mit dem Softwarehersteller, der unterschriftsreif sei. Er wollte aber keine Summe nennen. Gut informierte Kreise behaupten indes, dass von dem angeschlagenen Konzern keine Mark mehr in den BFC fließen wird. Immer noch warten Mitarbeiter seit sechs Monaten auf ihr Gehalt. Mit den Spielern, die geblieben sind, wurde Ratenzahlung über ausstehende Bezüge vereinbart. Einige Kicker, die den Verein verlassen haben, erwägen eine Klage. Der BFC hat nun eine GmbH gegründet, die dem Klub vorgeschaltet werden soll. Die Profis werden aus dem Klub ausgegliedert. So könnte verhindert werden, dass bei Konkurs der BFC ins Bodenlose fällt, so wie es Vereinen wie Blau-Weiß 90 in der Vergangenheit ergangen ist. Gläubiger müssten sich mit der Einlage der GmbH zufrieden geben.

Ein juristischer Winkelzug eines zum Sterben verurteilten Vereins? Die Erfolgsmeldungen sind jedenfalls derzeit spärlich. Der BFC wird von einem Insolvenzfachmann aus Hannover beraten. "Die Gefahr der Insolvenz besteht", gibt Haake zu, "aber es gibt auch eine Bereitschaft der Gläubiger, uns zu helfen." Die AOK will Ratenzahlung akzeptieren. Allerdings fordert sie 50.000 Mark am Montag. Das zumindest ist noch zu schaffen: 40.000 Mark kommen aus Spendengeldern von Fans, die zudem aufgefordert wurden, Dauerkarten zu kaufen, um rasch für Geldzufluss zu sorgen. Ziel bleibt laut Haake der Aufstieg in die dritte Liga. Da gäbe es neue Sponsoren- und Fernsehgelder zur Entlastung.

Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 12.07.2001