Volle Härte / Business as usual: Kölmels Bördekicker-Zockerfilm

Anfang der 90er ging's für die Ossis von vorne los mit dem Weltverstehen. Die Computerspiele-Industrie gab ihr Bestes. Sie warf den gesamten 80er-Schrott über den Rummelplätzen ab (Wer erinnert sich nicht an die flippergroßen PacMan- Maschinen?). Dann ging es im Zeitraffer: Solitär, Tetris, Moorhuhnschießen - die Gewinner der letzten bundesweiten Moorhuhn-Meisterschaften kamen aus Sachsen-Anhalt. Wer in diesen Jahren nicht beim Kickern versumpfte, konnte auch den Fußballsport neu verstehen lernen. Den Weg von den National- zu den Vereinsmannschaften mitgehen, vom wuchtigen Joystick über die Playstation-Konsole zurück zur Tastatur. Kernfrage: Wie hoch wird, nach Einkommen gestaffelt, der Absatz sein, was den derzeitigen Boom der Fußball-Manager-Spiele-Software angeht? Finden es die letzten echten Knuffer eher schick, so ein reines Kaufen-Verkaufen-Schicksal-Spielen? Oder doof ("Da spiel ich ja gar nicht, da spiel ich ja lieber noch sauber selber")?

Den letzten Beweis, daß sie mit so einer sympathischen Haltung gut hinterm Mond leben würden, lieferte der Finanzgau in der so geschimpften "Kölmel-Liga". Seit 1998 kauft Michael Kölmel, Chef der Kinowelt Medien AG, Fußball-Traditionsvereinen in strukturschwachen Regionen die Vermarktungsrechte ab. Dafür hat er die Sportwelt gegründet, an der er mit seinem Bruder privat 90 Prozent hält. Eingestiegen ist er unter anderem beim 1. FC Union Berlin, 1. FC Magdeburg, bei Sachsen Leipzig, Carl-Zeiss Jena und Dynamo Dresden. Als nun am vergangenen Sonnabend der 1. FC Magdeburg vor 20.600 begeisterten und hiermit ausdrücklich rehabilitierten Fans den Berliner FC Dynamo mit 5:2 (1:1) nach Hause schickte, stand schon fest, daß der Aufstieg nicht feststeht. Kölmel hatte vorher noch mitteilen lassen, daß er die vom DFB geforderte Bankbürgschaft über vier Millionen Mark nicht aufbringen wird.

Sportlich war der Aufstieg in die lizenzpflichtige Regionalliga Nord (und damit den sogenannten bezahlten Fußball) nach dem vieldiskutierten Nullrunden- Hinspiel also gebongt. Aber was hieß das schon, sportlich? Die Mannschaft, die im Laufe der Saison mindestens drei Tore pro Spiel gemacht hatte, schoß sich ins Ungewisse - mehr nicht. Petr Maslej war viel umjubelter zweifacher Torschütze, nach dem Platzverweis für Florin Batrinu in der 76. Minute war das auf ewig gemauerte Abwehrbollwerk des BFC nur noch Schutt und Asche usw. - Na und? Der BFC hat inzwischen bekanntgegeben, daß er auf ein Lizenzverfahren genausogut verzichten kann. Sein Hauptsponsor Lipro-AG wird mit einem Achtel an Engagement weitermachen, und da standen vor dem Spiel noch Januar-Gehälter aus - das bringt nichts, da bleibt man besser Oberliga.

Die Präsidentin Karin Seidel-Kalmutzki hatte es nach den internen Regelungen im bitteren Tonfall angekündigt: "Ich kann niemandem etwas vormachen und bin auch etwas verängstigt, daß es soweit gekommen ist." Sie ist übrigens SPD-Politikerin. In Magdeburg hingegen nahmen sie den Kampf gegen die menschlichen Enttäuschungen im Spätkapitalismus auf. Es schien, als hätten sie sich mit dem 5:2 erst in die eigentliche Quali gebolzt. Am Sonntag startete der Verein per Fax die Aktion "20.000 Zuschauer mal mindestens 250 DM!" Jetzt sind alle Mitglieder und Anhänger aufgerufen, den Aufstieg persönlich perfekt zu machen (Stadtsparkasse Magdeburg, Konto 326 300 86, Verwendungszweck: 1. FCM goes 3. Liga). Stichtag ist Dienstag, 24.00 Uhr.

Außerdem will man sich doch noch mal mit Kölmel treffen, der inzwischen Gesprächsbereitschaft signalisiert hat: Die Absage steht, aber reden kann man ja mal. Oder? Wenn sie ihre sechs Millionen schwere Oberligatruppe auf den mit einigen Hunderttausend Abfindung davongejagten Ex-Manager Rüdiger Lamm im Wolfspelz schieben und mit dem Schwanz wedeln und sagen, daß so was nie wieder vorkommen wird: "Nie wieder verlassen wir uns so auf die Sportwelt, Papa, nur noch das eine Mal!" - vielleicht trägt Papa dann wie bei Union jüngst sein sauer Erspartes noch schnell zum DFB und ruft danach verschwitzt die Lokalzeitungen an, daß es gerade noch gut gegangen ist. Wie bei Union. Vielleicht. Der Mann dealt immerhin mit Filmen, der weiß, wie man es spannend aussehen läßt. Ob es ihnen zu wünschen wäre? Eigentlich, aber, ja.


Bettina Wiegmann, Junge Welt, 12.06.2001