Die Tritte daneben / Hooligans, soweit das Auge reichte: Die Nullnummer zweier ostdeutscher Elitevereine

Da waren also einerseits ein Rekordmeister und andererseits ein Rekordpokalsieger und Europacupgewinner. Der BFC Dynamo ist zehnfacher DDR-Fußballmeister, der 1. FC Magdeburg neunfacher Pokalsieger und seit dem Sieg über den AC Mailand 1974 der einzige ostdeutsche Verein, der je einen europäischen Pokal gewann. Gäbe es die DDR noch, wäre dieses Spiel wohl ein Spitzenspiel. Zwar heißt die Liga, in der die beiden Clubs in der vergangenen Saison spielten, genau wie die, in der sie zu DDR-Zeiten gegeneinander antraten: Oberliga. Seinerzeit allerdings bezeichnete das die erste Liga, heuer trägt nur mehr die vierthöchste Spielklasse diesen Namen. Am Samstag trafen die beiden Mannschaften im Sportforum Hohenschönhausen aufeinander. Im Hinspiel um den Aufstieg in die dritte Liga.

Der BFC hatte sich souverän in der Nordstaffel des Nordost-Verbandes durchgesetzt (Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn als Farce: Wie der BFC in den 80er Jahren die DDR-Oberliga dominiert hatte, so beherrschte er in der letzten Saison die bundesdeutsche Oberliga), der 1. FC Magdeburg war im Süden zu einem überlegenen Staffelsieg gekommen, hatte außerdem im DFB-Pokal die Bundesligisten 1. FC Köln und Bayern München aus dem Wettbewerb gekickt, bis er im Viertelfinale an Schalke 04 scheiterte. Trotzdem ist vom einstigen Glanz hier wie dort nicht viel geblieben: Die beiden Vereine kämpfen wie so viele ostdeutsche Traditionsclubs mit finanziellen Schwierigkeiten. Verspätet gezahlte Gehälter, Selbstanzeige beim Finanzamt wegen Verfehlungen der vormaligen Vereinsführung. Es ist in Berlin und Magdeburg dasselbe. Die höchste Aufmerksamkeit erlangen beide Vereine, wenn sich die Fans danebenbenehmen.

Hier wie dort gibt es ein hohes Gewaltpotential, viele Hooligans. Marodierende, prügelnde Horden gehören zum mittlerweile klischierten Bild des ostdeutschen Fußballanhangs, besonders bei BFC und FCM. Also wurden schlimme Ausschreitungen erwartet. Die Polizei trat, man sagt das so schön, massiv auf. Krawalle außerhalb des Stadions blieben erstaunlicherweise aus. Dafür kam es zu Ausschreitungen im Sportforum, zuallererst auf dem Rasen: Da wurde zünftig getreten, gehauen, gebrüllt. Nachdem der Magdeburger Rozgonyi in der 17. Minute lustig auf seinem Gegenspieler Oprea herumgetrampelt war, sah er die Rote Karte und - beschwerte sich lautstark. Diesen wildgewordenen Rüpel hätte die Polizei eigentlich gleich in Gewahrsam nehmen und der Gerichtsbarkeit überantworten müssen. Auf die Aktion eines ihrer Idole hin wurde dann auch der Magdeburger Mob tätig und warf wild mit Steinen um sich.

Schiedsrichter Bley unterbrach die Partie für fünfzehn Minuten und ließ Appelle an die Gästefans richten, sich doch nicht so ungebührlich zu betragen. Es wäre besser gewesen, er hätte das auch den Spielern gesagt. In der 72. Minute haute Oprea einen Magdeburger um - einfach so, fernab des Geschehens um den Ball: Das war Hooliganismus der übelsten Art, mit einer Roten Karte viel zu milde bestraft. Und dazwischen Backpfeifen, derbe Schubsereien, fieses Nachtreten. Fußball gab es nicht viel zu sehen: Nach der Herausstellung von Rozgonyi hatte der BFC zwei Großchancen, Jarling und Koslow scheiterten jedoch am hervorragenden Magdeburger Torwart Dreszer. In der zweiten Hälfte spielten die Berliner nur noch Standfußball und hätten fast noch verloren, wenn Zanis wirklich sehenswerter Fallrückzieher in der Schlußphase im Tor gelandet wäre: 0:0. Zwei Nullen am Schluß. Nach diesem Auftritt hat eigentlich keine der beiden Mannschaften den Aufstieg verdient.


Konrad Bayer, Junge Welt, 05.06.2001