Lachnummer der Szene / Türkiyemspor gegen BFC: Das Spiel endete 0:3 und war wegen befürchteter Randale von rechten BFC-Fans von Kreuzberg nach Reinickendorf verlegt worden. Der Krawall blieb aber aus

Der Fußball schien reine Nebensache zu werden. Das Match der Oberliga Nord zwischen dem BFC Türkiyemspor und dem BFC Dynamo endete 0:3, aber das blieb von statistischem Interesse. Waren doch schwere Auseinandersetzungen unter den Fans befürchtet worden. Kein Wunder, dass die Polizei mit 300 Beamte anrückte. Sie standen 550 Zuschauern gegenüber. Acht Hundeführer streiften am Samstagnachmittag mit ihren Tieren um das Stadion am Freiheitsweg im Bezirk Reinickendorf. Zehn Kripobeamte der Ermittlungsgruppe Hooligan waren im Einsatz, fünf von ihnen standen im Fanblock der etwa 300 Dynamo-Anhänger. Ein Fan wurde festgenommen.

Einsatzleiter Bert Müller vom Tegeler Abschnitt 14 stellte einen Verstoß gegen Paragraph 86a Strafgesetzbuch fest: Gebrauch verfassungsfeindlicher Kennzeichen. Ein Kahlköpfiger hatte die Hand zum Hitlergruß gehoben. In der Halbzeit zog ein Großteil der Polizisten ab. Sprecher Dietmar Vetter stellte fest: "Alles sehr ruhig." Und: "Wir sind doch alle hier zum Fußballgucken." Müller lobte die deeskalierende Arbeit der Fanbetreuer. "Wir sind nicht einmal richtig geprüft worden", sagte er. Das "Rundumsorglospaket" umfasste die Begleitung der BFC-Fans zur U-Bahn. Dort warteten weitere 40 BGS-Beamte in den Zügen. Es kam zu keinen weiteren Vorfällen. 150 Anhänger von Türkiyemspor verließen zuvor unbehelligt das Stadion über einen Seitenausgang.

Der BFC-Fanbeauftragte Rainer Lüdtke ist sich sicher: Hätten sie auf ihn gehört, dann wäre die massive Polizeipräsenz nicht nötig gewesen. Nicht nur dass der BFC-Fan in Lüdtkes Ausführungen zum netten Kumpel von nebenan mutiert, schuld seien die anderen. Nämlich die, die in den BFCern nur Hools und Gemeingefährliche sähen. "Alle haben vorher gelogen und übertrieben, auch die taz", sagte er. "Türkiyemspor hat bei jedem Verein Probleme, das hat nichts mit dem BFC zu tun." Was solle überhaupt das Ballyhoo mit den Bullen, wo doch der Gegner "gar keine Fangruppen" habe. Das Gewaltproblem habe es nur Anfang der Neunziger gegeben.

Kürzlich kam es allerdings nach dem Derby zwischen Union und dem BFC zu schweren Ausschreitungen, in deren Verlauf gegen 46 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet und gegen sieben BFC-Hools Hausverbote ausgesprochen wurden. Lüdtke rechnet die Schläger nicht dem BFC zu. Für ihn sind es Trittbrettfahrer. Vor dem Anpfiff rollten die Spieler ein Transparent mit der Aufschrift "BFC Dynamo gegen Gewalt und Rassismus" aus. Einige Fans applaudierten. Im Fanblock wurden jedoch antisemitische Witze erzählt, einem Fotograf drohten die Fans, ihm den Kopf abzureißen. Lüdtke dazu: "Das ist doch nur verbal." Ärger hatte es zuvor beim BFC Türkiyemspor gegeben: Der Verein spielt normalerweise im Stadion an der Katzbachstraße.

Dort gibt es aber keinen Zaun. Die Polizei lehnte deshalb das Sicherheitskonzept ab. "Sehr peinlich", findet das Durmus Matur, zweiter Vorsitzender. Jugendleiter Günter Hartmann wandte sich aus Furcht vor Übergriffen an die Antifa. Die Polizei bekam das mit und befürchtete ein Aufeinandertreffen von Rechten und Linken. "Die wollten uns hauen", hatte auch Matur festgestellt und sich an das Hinspiel erinnert, als sie von weinrot gekleideten Kahlköpfen "bespuckt" wurden. Dennoch diagnostizierte Matur: "Einfach zu viel Polizei." Auch ein Türkiyemspor-Fan stellte das fest. Im Fall einer Schlägerei wolle er "mit den Fäusten kämpfen". Vereinssprecher Lutz Zeidler sagte: "Wir haben das alles nicht so kritisch gesehen wie die Polizei und der Fußballverband."

Der Trainer, Thomas Herbst, meinte: "Es war nicht so dramatisch, wie es gemacht wurde, eben ein ganz normales Fußballspiel." Hartmann ist unterdessen zurückgetreten, weil sich Türkspor mit dem Umzug ins Stadion am Freiheitsweg zur Lachnummer in der Fußballszene gemacht habe. Fußballerisch gibt es zum Kick wenig zu sagen: Der BFC spielte mäßig, zum Sieg reichte es allemal. Am Mittwoch kickt Türkiyemspor im Paul-Rusch-Pokal gegen Union - zu Hause. Dynamo wird gegen Magdeburg in der Relegation um den Aufstieg in die Regionalliga antreten. Die Polizei ist dann auch wieder mit dabei. In Mannschaftsstärke.
 
Markus Völker, taz, 30.04.2001