| Jürgen Bogs gibt sich keiner Illusion hin. "Ich muss kurzfristig Erfolg haben", sagt der Trainer des Berliner FC Dynamo, "sonst bin ich als schwächstes Glied schnell weg." Nun ist Bogs alles andere als ein Fatalist, ein Blick auf die nackten Zahlen veranlasst ihn vielmehr vier Wochen vor dem Start der Oberliga-Saison, die der BFC am 6. August beim FC Schönberg beginnt, zu deutlichen Worten. Dynamos neue Mannschaft ist laut Manager Hans Reker sogar zehn Prozent teurer als die Regionalliga-Elf der vergangenen Saison. Der Etat von 2,3 Millionen Mark bedeutet Rekord in der Staffel Nord der zweigeteilten Spielklasse. Bogs sagt: "Der Verein hat rangeklotzt. Jetzt muss ich rasch ein Team formen."
Daran arbeitet er zurzeit in drei täglichen Übungseinheiten auf Usedom. Im Trainingslager in Zinnowitz wird derart verbissen geschuftet, dass Reker mit Genugtuung feststellen kann: "Die quälen sich alle, fallen abends um acht Uhr müde ins Bett." Und das 1:1 im Testspiel gegen Bundesligist Eintracht Frankfurt am Sonntag zumindest ein Achtungserfolg. Negativ-Schlagzeilen lieferte der BFC davor zur Genüge. Sponsor Lipro AG stieß mit seiner Forderung nach alleiniger Befehlsgewalt für den firmennahen Reker den verdienten Präsidenten Volkmar Wanski derart vor den Kopf, dass dieser vor zwei Wochen zurücktrat, mit ihm gingen Schatzmeister Günter Mattkies und Vizepräsident Ralf Rose.
Seitdem hat Reker drei Mal versucht, Wanski zur Rückkehr zu überreden. Ohne Erfolg. Vorerst gibt es ein Interims-Präsidium mit Reker und Mario Maek, dem Geschäftsführer. Im August wird der Wirtschaftsrat dann die neue Klubführung bilden. Die Mannschaft ist laut Reker von den Querelen unberührt geblieben, wollte aber wissen, ob der Sponsor (deckt 80 Prozent des Saisonbudgets) weitermacht. "Das haben wir bejaht, damit war die Sache erledigt", so Reker. Bogs´ Job ist ohnehin schwer genug. Der BFC präsentiert sich runderneuert. Geblieben aus dem alten Stamm sind nur die Torleute Nico Thomaschewski und Daniel Bartel, obendrein Thomas Petzold und Jörn Lenz, der wieder Kapitän ist.
Alle Neuerwerbungen kamen ablösefrei: Sascha Hahn (Hansa Rostock), Markus Aerdken (Sachsen Leipzig), Enrico Hinzer (Eberswalde), Guido Trempler (TeBe), Dirk Vollmar (Offenbacher Kickers), der Pole Gregor Kownacki, die Rumänen Aurel Panait, Silvian Cristescu und Danuts Oprea. Ein echter Exot ist der 30-jährige Brasilianer Alexandro Viera dos Santos, kurz Macale genannt, der laut Reker "600 Erstligapartien auf dem Buckel und auch schon mit Ronaldo zusammen gespielt hat". Ein Team mit zumeist Vollprofis, ein teures Trainingslager, erstmals ein potenter Hauptsponsor und ein Ausrüster (Puma) für den ganzen Verein - alles Zeichen für den Kraftakt, der da lautet: sofortiger Wiederaufstieg.
Reker nennt als Fernziel sogar die zweite Liga - in spätestens fünf Jahren. Parallel startet der ehemalige DDR-Rekordmeister eine Kampagne zur Imageverbesserung. "Der Klub muß salonfähiger werden", sagt Reker. Außerdem sollen weitere Sponsoren angelockt und ein Zuschauerschnitt von 1.000 Fans pro Partie erreicht werden. Das wird nicht einfach, weil fast alle populären Traditionsklubs (wie der 1. FC Magdeburg, VfB Leipzig und Dynamo Dresden) der Süd-Staffel zugeteilt wurden. "Das ist traurig, uns gehen viele lukrative Derbys verloren", klagt Reker. Andererseits erscheint die Nord-Gruppe sportlich einfacher, der BFC ist Favorit. Wobei er bei Titelgewinn Aufstiegsspiele gegen den Meister aus dem Süden austragen muss.
Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 10.07.2000
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