Tod auf der Straße / Der Fußballer Reinhard Lauck starb mit 51 Jahren

Mäcki Lauck ist tot. Ein Fußballer. Nur ein Fußballer. Sein Leben ist schnell erzählt. Reinhard Lauck wurde im September 1946 in der Lausitz geboren, fast genau dreißig Jahre später wurde er Olympiasieger in Montreal, im September 1997 fand man ihn auf einer Straße im Prenzlauer Berg. Er hatte Alkohol im Blut und schwere Verletzungen am Kopf. Die Polizei legte ihn als "hilflose Person" zu den Akten. Sie brachten ihn ins Krankenhaus Friedrichshain, wo er operiert wurde. Aber es war zu spät. In jeder Hinsicht. Lauck erwachte nicht mehr aus dem Koma. Vor zehn Tagen starb er. Erst am Wochenende meldeten es die Agenturen.

51 Jahre Fußballerleben. Ein Talent, ein Olympiasieger, eine hilflose Person. Aus. Reinhard Lauck war mit dem 1.FC Union Pokalsieger und mit dem BFC Dynamo Meister geworden. Er spielte 33 mal für die DDR-Nationalmannschaft, vor allem bei jenem einzigen Spiel gegen die BRD. 1974 in Hamburg. Lauck hat an diesem Abend Overath abgemeldet und Netzer. Reinhard Lauck hat 1:0 gewonnen. Er hat später oft davon erzählt. 1981 hörte Lauck mit dem Fußballspielen auf. Seine Knie waren kaputt.

Er war nicht unbedingt ein rhetorisches Talent. Er tauchte kaum in Zeitungsartikeln auf und wenn, dann mit Sätzen, die ihm die Journalisten in den Mund schrieben. "Malta kann vor allem auf der Mittelmeerinsel ein sehr unbequemer Gegner sein", stand da. Nie im Leben hätte Mäcki Lauck einen solchen Satz gesagt. Er hat andere Sätze gesagt. Kurze. Er hat die Journalisten machen lassen und war nicht sauer, als sie sich nicht mehr für ihn interessierten. Lauck beklagte sich nicht. Es war gut, so wie es war. Die Dinge liefen sowieso, so wie sie eben liefen.

Nach seinem Abschied vom Fußball 1981 verlor sich seine Spur zwischen ein paar Autowerkstätten und viel Bier. Anfang der 90er Jahre gewährte ihm ein fußballverrückter Tiefbauunternehmer aus Westberlin eine Art Gnadenbrot. Lauck arbeitete auf dessen Hof als Schweißer und Schlosser und "Mädchen für allet", wie er es nannte. Der Tiefbauer hieß Norbert Lanzemann, und Lauck hätte sich bestimmt gefreut, wenn dessen Name in einem Zeitungsartikel über ihn erschienen wäre. Denn er war voller Dank.

Reinhard Lauck wurde kaum zu irgendwelchen Traditionsspielen eingeladen, weil sich sein "Zustand" irgendwie rumgesprochen hatte. 1993 lud man ihn aber zur Wiederauflage des 74er WM-Spiels nach Steinach ein. Lauck kam in Thüringen an, spielen konnte er nicht mehr. Er war zu betrunken. Seine Mannschaftkameraden schlugen ihm verständnisvoll auf die Schulter. Lauck war offenbar kein Mensch, dem man böse sein konnte. Er tat einem leid. Lauck war auch im Suff leise und bescheiden. Er war ein weicher Mensch. Er war, wie ein Mensch ist, den man Mäcki nennt.

Nur vor seinen Bekannten, mit denen er in den letzten Jahren immer öfter "uff de Banke unten" zusammensaß, gab er schon mal ein bißchen an. Mit dem Olympiasieg in Montreal und mit Hamburg 74 natürlich. Sie glaubten ihm nicht. Hilflose Personen erzählen immer die irrwitzigsten Geschichten. Reinhard Lauck hat für Union und den BFC gespielt. Für zwei große Berliner Vereine. Er war ein Arbeiter. Er war ein guter Kerl. Er war ein Berliner Fußballer. Solche wie ihn gibt es heute nicht mehr. Jedenfalls nicht in zusammengekauften Gurkentruppen wie Hertha BSC. Vielleicht hat ja irgendeine Berliner Mannschaft am Wochenende mit Trauerflor gespielt. Es ist nicht sehr wahrscheinlich. Und es hätte eigentlich auch nicht gepaßt. Zu diesem Leben.

Alexander Osang, Berliner Zeitung, 03.11.1997