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Beim Regionalliga-Spiel FC Berlin - Türkiyemspor gab es eine langweilige erste, eine gute zweite und keine "dritte" Halbzeit Knöcheltief im Blut waten, fliegende Fäuste allüberall, Naziterror im Stadion - so
ungefähr war wohl die Erwartungshaltung der vier Kamerateams (inklusive Spiegel-TV), mehr als 20 Journalisten und zahlreiche Fotografen an ein Regionalligaspiel, bei dem es um angeblich so sehr viel mehr gehen sollte als bloß
um zwei zum Klassenerhalt äußerst notwendige Punkte. Aus dieser eher simplen Sicht betrachtet, war's dann kein aufregender Samstagnachmittag, der sich beim Spiel FC Berlin gegen Türkiyemspor bot.
Der Anhang des FC
Berlin, in verschiedenen Zeitungen gern als Urheber eines Flugblattes, Morddrohungen gegen die gegnerischen Fans beinhaltend, präsentiert, war sich von Anfang an ganz sicher, genau wie die traditionell friedlichen
Türkiyemspor-Fans: "Von uns aus soll nichts passieren!" Das Spiel verlief so, wie unterklassige Begegnungen häufig verlaufen - es war in der ersten Hälfte eher verdammt langweilig. Vertölpelte Chancen, dumme
Mittelfeldfehler und enervierend dämliche Pässe ließen jeden einzelnen der 911 Zuschauer ziemlich ratlos zurück. Erst in der 32. Minute kam ein bißchen Bewegung in die Sache, als Spielertrainer Thomas Herbst das 1:0 für
Türkiyemspor erzielte. Die etwa 100 Fans der Kreuzberger jubelten, der Rest ärgerte sich - wie das halt bei einem Fußballspiel so ist.
In der zweiten Halbzeit lohnte sich dann das Hinsehen: Brestrich erzielt den
Ausgleichstreffer und Steffen schaffte dann einen Hattrick, einzig gestört von einem Türkiyem-Treffer von Kücükboyaci. Die 2:4-Niederlage brachte die Kreuzberger dem Abstieg einen Schritt näher: "Gegen wen sollen wir denn überhaupt noch Punkte holen?"
verzweifelte der Türkiyemtrainer. So ganz ohne Provokationen ging's dann doch nicht ab, und wie immer erwischte es die Allerschwächsten, diejenigen, die sich nun überhaupt nicht wehren konnten. Als sich kurz vor Spielende drei
polizeiliche Hundeführer vor der FC Berlin-Kurve aufbauten, machten die deutschen Hooligans die Deutschen Schäferhunde erbarmungslos an. "Wuff, wuff, wau!" bellte der gesamte Block und outete dann die Seelenlage der völlig durchdrehenden und extrem verwirrten Köter: "Hunde, ihr seid nervös!"
Elke Wittich, Junge Welt, 13.03.1995

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