Vierzehn Spieler positiv / Chemische Hilfe beim Sieg über die Schweiz / Kollektives Doping beim BFC Dynamo Berlin

Die Schweizer haben nichts gemerkt und glatt verloren. 0:3 im Europameisterschafts-Qualifikationsspiel am 12. Oktober 1983 gegen die Fußballauswahl der DDR. "Es werden letzte Leistungsreserven mobilisiert . . . Die Einnahme kann zu unkontrollierten Unbeherrschtheiten führen", gibt Professor Manfred Höppner in seiner Stasiakte zu Protokoll. "Teilweise sind die Mittel illegal durch Trainer und Ärzte in Getränken verabreicht worden." Auch vor dem Länderspiel im Stadion vom Stasiklub BFC Dynamo Berlin war es so: "Gegen die Schweiz wurde diese Methode mit Genehmigung ebenfalls angewendet." Höppner, der frühere stellvertretende Leiter des Sportmedizinischen Dienstes in der DDR, kannte die Details und berichtete der Stasi unter dem Decknamen "IMB Technik".

Um der DDR die Schmach eines positiven Dopingfalles zu ersparen, traten die gedopten Sportler vor Wettkämpfen im Ausland zum Test beim Doping-Kontroll-Labor der DDR an. Wer in Kreischa positiv auffiel, blieb zu Hause. Im Fall des BFC Dynamo Berlin wäre das wohl aufgefallen. Aber damals brauchte man vor Kontrollen keine Angst zu haben. Von den 22 Ende Oktober 1983 in der DDR überprüften Spielern waren 14 positiv: Zum Beispiel Rainer Ernst, Falko Götz, Dirk Schlegel oder Bodo Rudwaleit, denen der Gebrauch von Amphetamin oder Methamphetamin nachgewiesen wurde. Überreste einer pharmazeutischen Wettkampfvorbereitung auf den Oberligaspieltag vom 22. Oktober 1983, kombinierte Höppner und kritisierte "die nicht zu verantwortende Dosis".

Im Gegensatz zum 1. FC Lok Leipzig, damals mit dem heutigen Bundesligaspieler Marschall, wo Höppner "nur noch vereinzelt Spuren" fand. Der Dopingdoktor sorgte für Stillschweigen und alamierte die Stasi. Schließlich sei zu klären, ob die Republikverräter Falko Götz und Dirk Schlegel von den Methoden gewußt hätten und diese preisgeben könnten. Den Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, Manfred Ewald, informierte Höppner nicht. Doch schon wenige Tage später ordnete der bis heute angeblich ahnungslose "Genosse Ewald" ein klärendes Gespräch an.

"Auf Weisung von Ewald" trafen sich Höppner und der Generalsekretär des DDR-Fußball-Verbandes, Zimmermann, am 30. November 1983, "um die Anwendung unterstützender Mittel auch im Fußballsport bei internationalen Vergleichen in Erwägung zu ziehen". Den Stand der "illegalen" Dopingarbeit im DDR-Fußball ließ Höppner durch Kontrollen feststellen. Dabei muß auch der 1. FC Union Berlin aufgefallen sein. Sechs bis sieben Spieler hat demnach "Vertragsarzt" Dr. Wuschech "mit seit Jahren im Leistungssport der DDR verbotenen Depot-Turinabol gespritzt". Die Konsequenz dieses Ergebnisse formulierte Höppner präzis: "Normalerweise müßte der 1. FC Union aus dem weiteren Spielbetrieb der Oberliga herausgelöst werden."

Anno Hecker, FAZ, 05.03.1994