"Wir werden den Schützen finden"

In einem Interview mit dem "Berliner Rundfunk" kündigte ein Hooligan aus Berlin Rache-Aktionen an. "Den Schützen werden wir finden", erklärte ein Jugendlicher, der anonym bleiben wollte. "Auch den Chef werden wir kriegen." Der junge Mann sagte, er sei im Besitz von "astreinen Fotos". Ferner habe er das Projektil. "Wir haben unseren Freund ins Krankenhaus gefahren. Als wir ihn auf die Trage legten, ist das Projektil herausgefallen." Der DFB-Sicherheitsbeauftragte Hermes und der DFB-Abteilungsleiter Schmidt halten sich heute in Leipzig auf, um vor Ort mit Vertretern der Stadtverwaltung und des Landes Sachsen konkrete Maßnahmen für die Sicherheit der Veranstaltung im Leipziger Zentralstadion zu besprechen. Die Inspektion war schon vor einigen Wochen terminiert worden.

Ein Gespräch mit dem Deutschen Fußball-Verband (DFV) der ehemaligen DDR, dessen fünf Landes-Verbände am 20./21. November dem DFB beitreten werden, ist beim DFB als Eiltermin angesetzt worden. Der Vorschlag des DFV-Ligabeauftragten Volker Nickchen, die Ordner der Vereine zu bewaffnen, stieß überall auf Kopfschütteln. Überall in Deutschland herrscht Entsetzen über die neue Variante des Vandalismus, die Leipzig am Samstag erlebte. Die Orgie der Gewalt war von langer Hand vorbereitet worden. Erste Analysen der Polizei ergaben: Skinheads und andere Fascho-Gruppen randalierten im Stadion und in der Innenstadt, 500 Hooligans tauchten am S-Bahnhof Leutzsch auf, kesselten etwa 30 bis 50 Polizisten ein und gingen mit brachialer Gewalt gegen die Ordnungshüter vor.

 "Wir brauchen dringend Hilfe", sagte Leipzigs Polizeichef, Oberrrat Krompholz, angesichts der traurigen Bilanz vom Samstag. Im Rathaus der Messestadt denkt man sogar über ein Verbot der Fußball-Gala nach. Denn Berliner Hooligans hatten schon vor Tagen "Bambule, die große Hatz auf Wessie-Fans" angekündigt. Ein Großaufgebot an Sicherheitskräften wird am Samstag (13.30 Uhr) beim Oberliga-Heimspiel des FC Berlin gegen Chemie Halle aufgeboten, um im ehemaligen Dynamo-Sportforum und in der Nähe des Stadions gewalttätige Übergriffe zu unterbinden. Das verlautete gestern aus Polizeikreisen.


Autor nicht bekannt, Volksblatt, 06.11.1990