Gefährliches Spiel

Es wird wohl nicht zu verhindern sein, daß nun wieder Rufe laut werden nach der Staatsgewalt, mit der marodierenden Hooligans das Handwerk zu legen sei. Die Gewalt um deutsche Fußballstadien herum nimmt weiter zu: die für einen Beteiligten tödliche Schlacht von Leipzig knüpfte an, wo vergangenen Mittwoch beim Länderspiel in Luxemburg 500 deutsche Schläger aufhörten. Gewiß gab es an beiden Schauplätzen auch Fehler der Ordnungskräfte: im Großherzogtum wurden Warnungen mißachtet, in Leipzig zeigte sich die Polizei überfordert und hilflos. Für Präventivmaßnahmen, wie sie in den Bundesligastadien längst wirksam sind, fehlt es in der ehemaligen DDR an Personal und Wissen. Es wird höchste Zeit, westdeutsches Know-how über vorbeugende, gewaltbehindernde Methoden in den Osten zu transferieren.

Zu verhindern aber sind Schlägereien am Rande eines Fußballspiels mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht. Mit der Aufgabe dieser Grundsätze allerdings auch nicht, wie die weiterhin starken Hooligan-Gruppen in England beweisen. Die irrationale Wut vieler Jugendlicher, von einigen Soziologen oberflächlich als Abenteuerlust verklärt, mag sich zähmen lassen durch Vorbeugen. Zu befrieden ist sie nicht, unter dem Deckel brodelt sie weiter. Und auch pädagogische Maßnahmen, von Fanforschern gefordert, greifen daneben. Es sind nicht mehr frustrierte Arbeitslose, die beim Fußball Aggressionen abzubauen versuchen. Die größte Angst der wochentags bürgerlich lebenden Hooligans ist jene vor der Enttarnung ihrer Doppelexistenz. Sie erleben ihre Kämpfe als ein Spiel, ein sehr gefährliches. Eines, mit dem die Gesellschaft offenbar leben muß. wie mit den Verkehrs- oder Drogentoten. Die Behörden können lediglich Schaden begrenzen.


Autor nicht bekannt (um), Süddeutsche Zeitung, 05.11.1990