Polizei erschießt Hooligan / Schwere Krawalle in Leipzig / Einsatzleiter gab Schußwaffengebrauch frei / 80 Festnahmen

Nach stundenlangen schweren Auseinandersetzungen zwischen Hooligans und der Leipziger Polizei ist am Samstag nachmittag ein 18jähriger Berliner von der Polizei erschossen worden. Drei weitere junge Männer aus der Gruppe der randalierenden Berliner Fußballfans wurden durch Polizeischüsse schwer verletzt. Die zahlenmäßig heillos unterlegene und offenbar auch nur schlecht vorbereitete Polizei war am Samstag nachmittag vor dem Fußballstadion von rund 400 Hooligans eingekesselt und mit Leuchtraketen, Tränengas und Steinen bewerten worden. In dieser Situation gab der Einsatzleiter den Befehl an seine Beamten, notfalls auch von der Schußwaffe Gebrauch zu machen.

Es war das zweite Mal innerhalb von vierzehn Tagen, daß sich die Leipziger Polizei gegen angreifende Rechtsradikale mit scharfer Munition zur Wehr setzte. Die tödlichen Schüsse haben in Leipzig der seit Wochen schwelenden Kritik an der Unfähigkeit der örtlichen Polizei eine neue Dimension verliehen. Obwohl am Samstag Unruhen zu erwarten waren, waren insgesamt nur 219 Polizisten im Einsatz. "Mehr Kräfte", so ein Polizeisprecher zur taz, "hatten wir einfach in ganz Leipzig nicht." Ein Hintergrund dieses faulen Einsatzkonzeptes liegt unter anderem darin, daß nach Monatsbeginn sämtliche Wehrpflichtigen aus dem Polizeidienst entlassen wurden und jetzt akuter Personalnotstand bei den Beamten herrscht.


Autor nicht bekannt, taz, 05.11.1990