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Wirft uns jetzt die UEFA raus?

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Krawalle deutscher Fans Mittwoch In Luxemburg. Sonnabend In Leipzig. Ein 18jähriger wird von der Polizei erschossen. Bestraft die UEFA die deutschen Klubs dafür wie einst die englischen? Der Mob hinterließ eine Spur der Verwüstung in Leipzig. Die Bilanz des Schreckens - ein Toter, drei Schwerverletzte, in Brand gesteckte Autos, zertrümmerte Schaufensterscheiben, geplünderte Auslagen. Der Schaden ist noch nicht beziffert, er wird Millionenhöhe erreichen. Die Hooligans schlugen wieder einmal zu. Die Skins, die Radikalen, die Chaoten. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche, nachdem sie bereits am Mittwoch beim Länderspiel in Luxemburg alles auseinandernahmen was nicht niet- und nagelfest war. Wer da die Zusammenhänge übersieht, ist mit Blindheit geschlagen.

Die bange Frage nach Luxemburg und Leipzig (wo es ja vor Wochen schon einen Spielabbruch gab): Was wird mit dem deutschen Fußball? Wie reagiert der Europäische Fußball-Verband (UEFA), der in dieser Saison die Strafen für Ausschreitungen von Spielern, Trainern und Fans bei den europäischen Wettbewerben ganz drastisch verschärfte? Was tut diese UEFA, die vor fünf Jahren als Antwort auf die ständigen Ausschreitungen der englischen Rowdys in den europäischen Stadien die englischen Klubs aus dem Europacup ausschloß? Wer sich dieses vor Augen führt, dem muß schnell klar werden, der deutsche Fußball läuft Gefahr, den Weg der Engländer zu gehen. Wenn die UEFA keinen anderen Ausweg sieht, dann droht allen deutschen Mannschaften der Rauswurf aus den laufenden Wettbewerben, sowohl aus dem Europacup als auch aus der EM-Qualifikation. fuwo sprach mit Wolfgang Niersbach, dem Pressechef des Deutschen Fußball-Bundes.

Er sagt: "Man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Aber nach den Ereignissen von Luxemburg und Leipzig ist nicht mehr auszuschließen, daß sich die UEFA mit diesen Vorfällen befassen wird." Befürchtungen also auch beim DFB, der nach dem November für den gesamten deutschen Fußball verantwortlich sein wird. Derweil wird bei allen Beteiligten leidenschaftlich nach den Gründen, nach dem Warum für dieses Rowdytum gesucht. Eine schlüssige Antwort gibt es nicht. Immer wieder wird auf einen Umstand verwiesen: Auf den aufgestauten sozialen Zündstoff, der sich auf diese Art und Weise entlädt. Die jungen Leute in den neuen Bundesländern wissen mit ihrer neugewonnenen Freiheit nichts anzufangen, testen die Grenzen aus. Die ausgebufften Randalierer von der anderen Seite der Elbe, der Polizei längst bekannt und mit Stadionverboten belegt, finden zwischen Rostock und Dresden ein neues Betätigungsfeld. Gewalt um der Gewalt willen, Freude am Zerstören, Chaos.

Das Schlimmste: alle Verantwortlichen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR unterschätzen das Problem. obwohl seit Beginn der Saison akut, nach wie vor sträflich. Nur 219 Polizisten  aus waren in Leipzig im Einsatz. Bei Bundesligaspielen sind die Ordnungshüter oft in zehnfacher Stärke präsent. Der Einsatzleiter der Leipziger Polizei, der die sich anbahnende Gefahr sehr wohl erkannte, bekam trotz unüberhörbarer Hilferufe keine Verstärkung. Inzwischen hat die Suche nach Lösungen begonnen. Kurzfristig gibt es wohl nur eine, die Gewalt des Staates der Gewalt der Rowdys entgegenzustellen. Vor allem auch zahlenmäßig. Hier sind der Bund, die Länder, die Kommunen und die Klubs aufgefordert, sich endlich an einen Tisch zu setzen. Andernfalls ist Leipzig noch lange nicht der Schlußpunkt.

Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 05.11.1990


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