Unglaublich! Rowdys hatten Krawalle vorher angekündigt

Nach den bisher schwersten Fan-Ausschreitungen auf deutschem Boden hat gestern die Stadt-Polizei von Leipzig Fehler der Polizeiführung des "Bezirks für das Ausmaß der Gewalt verantwortlich gemacht. "Wir hatten nur 219 Bedienstete zur Verfügung, denen 500 gewaltbereite Hooligans gegenüberstanden", erklärte Polizeioberrat Karl-Heinz Krompholz. Angeforderte Verstärkungen von fünf zusätzlichen Zügen der Bereitschaftspolizei seien ihm am Donnerstag von der Bezirksbehörde der Polizei gestrichen worden. Daraufhin lehnte Krompholz jegliche Verantwortung ab, leitete aber dennoch den Einsatz vor Ort. Mehrere Polizeibeamte hatten am S-Bahnhof Leutzsch, der dem Stadion Georg-Schwarz-Sportpark gegenüberliegt, in bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit den Fußball-Rowdys von der Schußwaffe Gebrauch machen müssen.

 Nachdem die Hooligans die Polizeikräfte eingekesselt hatten, wurde der 18 Jahre alte Mike P. aus Berlin in einer Notwehrsituation getötet. Krompholz: "Es waren keine Warnschüsse mehr, es waren ungezielte Schüsse." Der junge Mann kommt aus dem ehemaligen Ost-Berlin. Bei den schweren Straßenschlachten, die sich von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr ereigneten, gab es Sachschaden in Millionen-Höhe. Die Krawalle begannen, als sich etwa 100 Leipziger und Berliner Jugendliche im Stadion widerrechtlich Eintritt verschafften, Besucher belästigten und Raketen abschossen. Die Polizei hatte auch noch am Sonnabendabend Einsatzalarm ausgerufen. Sämtliche verfügbaren Bedienstete aus dem Land Sachsen waren in die Messestadt beordert worden. Nach 18.00 Uhr und am Sonntag blieb es in der Messestadt jedoch ruhig.

Die jugendlichen Banden stammen nach ersten Ermittlungen der Polizei aus Berlin. Die Skinheads und Hooligans waren mit der Eisenbahn und in Sonderbussen nach Leipzig gefahren. "Die Berliner Polizei hatte uns keine Vorabinformation gegeben", erklärte Hauptkommissar Dieter Gaasenbeek von der Leipziger Stadtpolizei. Der Fan-Zirkel des FC Berlin treibt schon seit Jahren sein Unwesen. Erst im Frühjahr hatte es im damaligen Ost-Berlin mehrfach Straßenschlachten gegeben. In Leipzig war es bereits kam 29. September beim Oberliga-Spiel zwischen FC Sachsen Leipzig und FC Carl Zeiss Jena zu schweren Zuschauerausschreitungen gekommen, die zum Spielabbruch führten. Der vom ehemaligen Bundesliga-Profi Jimmy Hartwig trainierte Aufsteiger aus der Messestadt wurde daraufhin mit einer Platzsperre für ein Spiel belegt.

"Wir müssen aus den Fehlern lernen", erklärte am Sonntagmittag Gaasenbeek. Die Behörde will für das Spiel der Elf des Deutschen Fußball-Bundes gegen eine Auswahl Ostdeutschlands am 21. November im Zentralstadion verstärkte Sicherheitsvorkehrungen treffen. Gaasenbeek: "Wir haben in Sachsen noch kein Innenministerium. das erschwert unsere Arbeit. Wir brauchen für das Großereignis Polizei-Hilfe aus dem Westen Deutschlands." Erst am 27. Oktober hatten die Berliner Hooligans beim Auswärtsspiel ihrer Elf in Brandenburg die Leipziger Randale angekündigt. "Das große Showdown wird am 21. November sein", erklärte dabei ein Rädelsführer. "Wir werden in Straßenschlachten die Wessies-Fans besiegen."

Holger Schück, Fußballwoche, 05.11.1990