Mehr Sorgen um die Zukunft als um die Punkte / Thoms Transfer der Anfang vom Ende - wer wird ihm folgen? / UEFA-Cup-Platz als Ziel

Der Berliner Dynamoklub ringt um seine Existenz. So einfach und nackt ist die Wahrheit. “Der Klub muß erhalten bleiben", sagt Vorsitzender Herbert Krafft Nach der Auflösung des “Sponsors" und der lakonischen Mitteilung, daß das Ministerium des Innern nur noch zur finanziellen Unterstützung bis zum Saisonende bereit ist, läuten bei den Dynamos die Alarmglocken. Noch vor der Rückrunde wollen die BFC-Verantwortlichen mit einer Konzeption für den Erhalt an die Öffentlichkeit treten. Der Abschied vom Namen Dynamo dürfte dann sicherlich ebenso dazu gehören wie die zivile Umstrukturierung des Fußballklubs. Verhandlungen mit Betrieben sind im Gange, aber noch gibt man sich bedeckt. Nach der jahrelangen Bogs-Domäne sollte zu Saisonbeginn mit Helmut Jäschke ein neuer, anderer Stil einziehen, um die schon im Vorjahr aufgetretene (Championats-) Lethargie von den Weinroten zu verjagen.

Der Saisonauftakt mit dem 4:1-Erfolg im Supercup gegen die Dresdner schien den neuen Schwung anzudeuten. Doch er hielt nicht lange an. Schon das Auftakt-Unentschieden daheim gegen Erfurt wies auf die Instabilität hin. Zwar wurde bis zum 8. Spieltag (1:3 beim FC Hansa) nicht verloren, doch bis dato vier Unentschieden bezeugen, daß die Hohenschönhausener selbst gegen schwächere Vertretungen nicht mehr mit jener Dominanz früherer Jahre auftraten. Das 0 :0 gegen Eisenhüttenstadt, das mühsame l:0 gegen Bischofswerda waren genügend Beleg für unzureichenden Angriffsschwung - trotz der beiden Auswahlstürmer Doll und Thom. Nur in einem einzigen Spiel - gegen den HFC - kam der BFC auf drei Treffer. So stehen zwar am Ende zwei Zähler mehr als vor einem Jahr zu Buche, doch entscheidend gestiegen sind die Chancen nicht.

Keiner der Akteure bot eine überragende Halbserie - vielleicht war Doll am agilsten -, so daß in der 33-Besten-Liste niemand auf Rang eins rangiert. Thoms Transfer als beginnender Ausverkauf? Ernst fiel mit seinem ”Alleingang" noch auf die Nase. Doch im Sommer wird erneut an Spielertüren angeklopft. Und an nicht wenige. Rudwaleits ”Rücktritt", die Ablösung von Jäschke zwischen Frühstück und Gänsebraten waren Zeichen der inneren Unruhe des Klubs. Das Ausscheiden im Pokal beim Ligisten FCV fast schon Konsequenz.
     fuwo-Prognose:
Der BFC in seinem schwersten Jahr. Er wird einen UEFA-Cup-Platz nur erreichen, wenn die Spieler wenigstens bis zum Sommer geschlossen mitziehen. Über der Existenz des Klubs hängt das Damoklesschwert.

Jürgen Nöldner, Neue Fußballwoche, 06.02.1990