Fliegender BFC-Wechsel / Junge-Welt-Interview mit zwei FuBball-Trainern — dem geschaßten und dem neuen

Durch die Indiskretion eines Spielers (!) hoben schon am Dienstagabend die Trainer Helmut Jäschke und Helmut Koch sowie Mannschaftsleiter Volkmar Saefkow von ihrer bevorstehenden Ablösung beim BFC Dynamo erfahren, die ihnen dann tatsächlich am Donnerstagmittag ihr Klubvorsitzender Herbert Krafft im Winter-Trainingslager Uckley kundtat. Grußlos verließen die Trainer daraufhin das Objekt. Am Nachmittag schließlich wurde der Mannschaft das neue Trainerduo vorgestellt: Peter Rohde (40) und Thomas Niendorf (30). Beide waren aus den Trainingslagern der Junioren- bzw. der Jugendelf 'rangefahren worden, um die Oberligavorbereitung fortzusetzen. Mit dem alten und mit dem neuen Trainer unterhielt sich unser Redaktionsmitglied Klaus Feuerherm.

Helmut Jäschke hat auf eigenen Wunsch mit sofortiger Wirkung seine Tätigkeit als Oberliga-Trainer im BFC beendet, so lautet die ADN-Meldung. Ist das korrekt, Helmut Jäschke?
Jäschke:
Zum Jahresende sah ich tatsächlich keine Basis im Klub, sah keinen Zweck in der Arbeit, wollte aufhören. Über die Jahreswende habe ich alles neu durchdacht, war neu motiviert und wäre mit meinem Kollegen Donnerstag aus allen Wolken gefallen, hätte ich nicht schon von meinem Schicksal gewußt.

Worüber bist du gestürzt?
Jäschke:
Die Mehrzahl der Spieler war gegen mich. Sie haben geäußert, ich habe zu wenig mit ihnen gesprochen. Ein Vorwurf war auch, ich hätte ihnen am Wochenende nach dem 3. Platz beim Hallenturnier In Osnabrück nicht einmal zum 3. Platz gratuliert. Also, man wirft mir vor allem menschliche Schwächen vor, fachlich lasse ich mir auch nichts nachsagen. Aber es hat wohl einigen Herren in der Mannschaft nicht gepaßt, daß ich ihnen die kalte Schulter gezeigt habe, was ihre Leistungen anbetraf.

Ist es richtig, daß du zum Transferthema Thom/Ernst nicht befragt wurdest?
Jäschke:
Ja. Bei Thoms Wechsel wurde ich vor vollendete Tatsachen gestellt, wobei mich verwunderte, daß die letzte Absprache in dieser Sache zwischen Spieler und DFV bzw. BFC nach dem verlorenen Pokalspiel in Frankfurt hinterm Mannschaftsbus erfolgte. In der Sache Ernst hatte ich auch keine Ahnung. Insofern war ich für Rainer auch die falsche Beschwerde-Adresse, als sein Wechsel nach Dortmund platzte. Die Verhandlungen hatten andere geführt, und Hauptschuld am Nichtzustandekommen des Vertragsabschlusses traf seine Mitspieler. Sie haben nicht verstanden, daß solche Leistungen schon so belohnt werden. Mein persönlicher Vorwurf an Ernst: Mit einem BILD-Interview hat er Nestbeschmutzung betrieben, die man nicht rechtfertigen kann. Aber ebenso falsch war es, ihn erst offiziell nach Dortmund zu schicken, er war ja bei Borussia immerhin schon zur medizinischen Untersuchung, was in Profikreisen einem fast perfekten Vertragsabschluß gleichkommt. Und dann sportlich-moralische Gründe vorzuschieben, die Sache wieder zu kippen? Aber ähnlich halbherzig zeigte sich die Leitung ja auch schon bei Rudwaleit.

Was machst du jetzt?
Jäschke:
Weiß ich nicht, erst einmal Urlaub.

Peter Rohde, was war deine Bedingung, das wacklige BFC-Schiff zu übernehmen?
Rohde:
Ich habe mich vergewissert, ob die Mannschaft mich annimmt. Das war der Fall. Jetzt gilt es sofort mit der harten Arbeit zu beginnen. Ich sehe unsere Lage nicht so dramatisch wie andere. Ein UEFA-Cup-Platz ist trotz der Abgänge drin. In unserem Team stehen viele gute Spieler, acht von ihnen habe ich schon als Nachwuchstrainer betreut. Viele Akteure sind zwar noch jung, aber talentiert.

Kannst du mit Rainer Ernst rechnen?
Rohde:
Wir haben noch nicht miteinander gesprochen. Er verhält sich zwar distanziert zur Mannschaft. Aber er trainiert ordentlich mit. Ich rechne mit ihm.

Dein größtes Problem?
Rohde:
Die Stürmerfrage. Wir müssen Thom ersetzen und nach den Leistungen von Doll bei den jüngsten Hallen-Turnieren damit rechnen, daß die Profiklubs auf ihn aufmerksam wurden und Thomas umwerben werden.

Wie sieht dein Konzept aus?
Rohde:
Ich will, daß der BFC wieder vom Publikum angenommen wird. Das erfordert von uns Leistungen.

In Dresden gab's mit Vater und Sohn Sammer Probleme. Gibt's die nun mit den Rohde-Brüdern in Berlin?
Rohde:
Nein. In Spiel und Training habe ich Abstand zu ihm. Ansonsten werde ich ihn mehr denn je fordern. Er muß jetzt aber noch mehr Verantwortung tragen. Ich hoffe, über ihn finde ich schnell einen guten Draht zu allen Spielern.


Klaus Feuerherm, Junge Welt, 13.01.1990