Das fuwo-Thema - Rücktritt von Rudwaleit

Bodo Rudwaleit, langjähriger Schlußmann beim Serienmeister BFC Dynamo, will nicht mehr Fußball spielen, und er hat diesen Entschluß als unwiderruflich bezeichnet. Das Echo darauf widersprüchlich. Von einer Kurzschlußhandlung war da die Rede, von der "Enttäuschung", die er damit seinen bisherigen Mitspielern bereitete, von verletzter Eitelkeit, von Dickköpfigkeit. Nun ist das starker Tobak, aufgeschrieben von Leuten, die den "Langen" eigentlich besser kennen müßten. Torhüter und Linksaußen, so will es der scharfe Fußballerwitz, sind ohnehin anders zu behandeln als normale Spieler. Rudwaleit ist Torhüter, und noch dazu einer von der ganz sensiblen Sorte. "Es macht mich traurig, wenn ich diese kleinkarierten Gründe lese, aus denen ich angeblich das Handtuch warf. Ich habe mich über Wochen und Monate mit Rücktrittsgedanken beschäftigt, ohne sie natürlich erst einmal über die Familie hinauszutragen. Wenn man so will, brachten Monaco und das anschließende Hickhack das faß eigentlich nur zum Überlaufen."

Wer hat ähnliche Erfahrungen nicht schon selbst in seinem leben gemacht? Man stelle sich vor - über 13 Jahre war Rudwaleit, er und Ernst vor allem, die "Blitzableiter", Stellvertreter für andere, an denen das Publikum zwischen Rostock und Aue sein Mütchen kühlte. Das Standardschimpfwort: “Bodo - Eierkopp!" klingt dem Schlußmann sicherlich noch nach Jahren in den Ohren. Auch wenn das finanzielle Trostpflaster mehr als ordentlich war. Was geht in einem Fußballer vor, der nachgewiesenermaßen bemerkenswerte sportliche Leistungen bringt, und der dennoch vor einem fast leeren Stadion Punktspiele bestreiten muß? Rudwaleit, und nicht nur er, haben niemals die Sympathie eines breiten Publikums erfahren, wie beispielsweise die Dresdner Spieler, die man in Rostock oder in Cottbus einhüllt wie in eine wärmende Decke, und die sie letztlich auch zu Leistungen stimuliert, die jenseits der "Schmerzgrenze" liegen.

Wer will bestreiten, daß es vor allem auch daran liegt, daß beispielsweise Andreas Thom oder Thomas Doll nur noch sporadisch zu ihrer wahren Form finden? Da entsteht Frust, und nach 13 Jahren ist man möglicherweise nicht mehr in der Lage, den von Spiel zu Spiel abzubauen. Rudwaleit nennt als Gründe für seinen Rücktritt auch sportliche Enttäuschungen. "Wenn man sich Jahr für Jahr abstrampelt, um wenigstens in Runde zwei zu kommen, und dann doch immer wieder auf die Nase fällt, ist die hundertprozentige Motivation weg. Ein Gefühl, daß sich mehr und mehr in mir breitmachte. Da habe ich mich einfach als Leistungssportler selbst die Frage gestellt." Was ist dagegen zu sagen? Und schließlich - wer den Rhythmus eines Spielers, nicht nur den beim BFC, kennt, der weiß, was da noch an Zeit zur Verfügung steht, die Rudwaleit seiner Familie widmen kann. Seinem siebenjährigen Bengel beispielsweise, mit dem er in Woltersdorf auch mal eine Radpartie unternehmen will, "mit intakten Knien" wie er unumwunden zugibt. Rudwaleits Rücktritt eine Kurzschlußhandlung? Nicht nach 13 Jahren Leistungssport.

Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 14.11.1989