An den Zeichen der Zeit vorbeigelebt?

Was beim zehnfachen Serienmeister seit '78/79 glänzte, war nicht für den Augenblick geboren. Langlebig dominant, so verstanden die Berliner ihre Sphäre! Vielleicht übersehen erfolgsverwöhnte Naturen in blendendem Licht die Gefahr der Gewohnheit? Wo doch eigentlich schon im Vorjahr bei Punktgleichheit mit dem 1. FC Lok (jeweils 37:15) nur der bessere Torquotient für den Titel bürgte? Der Sturz aus dem Olymp ist immer dramatisch. Gemildert wurde er durch Platz 2 und Cupverteidigung (1:0 gegen den FCK). Nur 32 Punkte standen zuletzt '76/77 (mit Pl. 4) auf dem Habenkonto. Schon im Dezember '88 war ein weiterer Titelgewinn bei Pl. 4 (26:15 Tore/+11, 15:11 Punkte) und neun Zählern Rückstand zu Dresden abgeschminkt.

17:9 Rückrundenpunkte (Pl. 2) wahrten das Gesicht, mehr aber auch nicht, weil da für den BFC schockierende Zahlen an die Kritikerlampe drängten: 32 Gegentore (lediglich '83/84 mit 36 mehr); nur die Absteiger und der HFC mit einer noch schlechteren Heimbilanz von 16 Punkten; 1,69 Tore (!) pro Spiel in Berlin, weitaus weniger als auswärts (die meisten mit 29/ Durchschnitt 2,23). Zwei Erfolgsphasen mit 5 ungeschlagenen Spielen (1.-5. ST., 12:8 Tore, 6:4 Punkte) und noch einmal 4 (18.-21. ST., 6:4 Tore, 6:2 Punkte) waren kaum der Rede wert. Gegen die potentiellen Medaillen-Mitkonkurrenten aus Dresden (1:2/A, 1:1/H) und Leipzig (0:2/H, 2:4/A) gelang kein Sieg.

Natürlich lebt jede Spitzenelf von der Ausstrahlung ihrer Asse. Sie war weder bei Thom, Doll, Rohde und Rudwaleit durchgängig, noch oder schon gar nicht bei Ernst. Blässe bei ihnen machte das ganze BFC-Spiel aschfahl. Selten zuvor waren die Bogs-Schützlinge so ausrechenbar wie '88/89, ohne technisch-taktische Fortschritte, mit gravierenden Mängeln im Durchsetzungsvermögen und in der international notwendigen Widerstandsfähigkeit. Das EC-I-"Aus" in Runde 1 nach einem 3:0-Heimsieg mit einem Auswärts-0:5 heim SV Werder Bremen nach unvorstellbar desolaten 90 Minuten war der Gipfel! Kein Wunder, daß sich der BFC im Saisonverlauf auf acht Tabellenplätzen wiederfand, nur sechs Akteure in vertretbaren fuwo-Punktwertungsregionen lagen. Da trieb viel Holz im Strom, das noch mühevoll bearbeitet werden muß.

Autor nicht bekannt, Neue Fußballwoche, 20.06.1989