Der Superrekord und die Kehrseiten

Neun Titel in (Rekord-)Folge - das fühlt sich an, wie Samt und Seide. Den ebenfalls titelambitionierten 1. FC Lok wiesen die Berliner ab; weitere gab es ohnehin nicht. Individuelle Profilierungen verbesserten die technischen Stilelemente. Zielstrebigkeit, Leistungskontinuität, Konzentrationsvermögen dominierten. ´86/87 war hochkarätiger (59:20 Tore, 42:10 Punkte) als ´85/86 (46:31, 34:18). Herbst (Pl. 1, 36:8 T., 22:4 P.) und Frühling (Pl. 2, 23:12, 20:6) sowie heim (34:8 T., 22:4 P./Platz 2 hinter Dresden) - und Auswärtsbilanzen (25:12, 20:6/Platz 1 vor dem 1. FC Lok) paßten wie Maßgeschneidertes. Zwischen ´79 und ´87 spielten die Hauptstädter 374 (79,91%) von 468 möglichen Punkten ein. Eingebettet darin: 155mal Spitzenreiter (66,24%) von 234 machbaren Tabellenführungen. Im neunten Erfolgsjahr fühlte sich die stabilste Elf des Oberhauses mit 22 ersten und 4 zweiten Rängen pudelwohl! Zeichen der Souveränität: 10 Mannschaften wurden mit jeweils 4:0 P. distanziert, 3 mit 3:1 Zählern. Nur Lok und Bischofswerda (!) gelang ein 2:2-Punktestand. Allein Dresden (0:0, 2:3) lockte die Bogs-Elf auf Negativpfade.

Vier Serien mit 4 bis 8 Spielen ohne Niederlage zementierten den Ruf eines klassischen Favoriten, der sich im Wesentlichen auf 14 Stammspieler stützte und mit 13 Auswahlakteuren auf allen Verbandsebenen Vorbildliches anbot. Initiative, Aktivität investierte der Klub in eine Vielzahl von Spielen. Rhythmusstörungen, Tempoverlust, Leistungsschwankungen stellten die Schattenseite dar. Rekord-Landesmeister sind in der Pflicht zu internationaler Reputation. Dem nicht gerecht zu werden, nur Peripherie zu bleiben, heißt am eigenen Lack zu kratzen. Landesinterne Eckpfeiler (5 klare Auswärtssiege, bei 9 Auswärtssiegen fünfmal kein Gegentor, mit 20 die meisten Punkte, Pastor als Oberliga-Torjäger Nr. 1) dürfen im EC nicht gleich bröckeln. EC-I-Debütant (!) Bröndby Kopenhagen (1:2/A, 1:1/H), ein Widersacher von Mittelmaß, nur mit dem Überraschungseffekt hausierend, machte alle Versprechungen, Vorhaben und Worte des BFC hohl. Der ebensofrühe FDGB-Pokal-K.o. (2. HR Chemie Böhlen 0:1/A) waren die Schocks der Saison innerhalb von vier Tagen. Neun Titeljahre ohne Pokal- und EC-Höhen - das faßt sich an wie kratzend Grobgewirktes!

Jürgen Nöldner, Neue Fußballwoche, 30.06.1987