Gratulation dem Titelträger / BFC-Elf mit neuen Bestmarken

Dresden behauptete vor Lok Leipzig zweiten Rang / Wismut Aue wurde Vierter und ist UEFA-Cup-Starter / Zu wenig Leistungszuwachs
Die Spieler des BFC Dynamo hatten nach dem 2:1-Sieg über den FCV Frankfurt bei der Meisterehrung viele Hände zu schütteln. Zum siebenten Male wurde die Dynamo-Elf aus der Hauptstadt in ununterbrochener Folge DDR-Titelträger. Das ist ebenso neuer Rekord wie die 90 Tore, die die Dynamos in dieser Saison erzielten. 24 davon steuerte allein der Torschützenbeste Rainer Ernst bei. Erneut erwies sich die Mannschaft des BFC unbestritten als die Nummer eins in unserer höchsten Spielklasse. Trainer Jürgen Bogs und das Leitungskollektiv feilten wie schon in den Vorjahren am Leistungswillen der Elf, die vor allem deshalb so souverän den Titel gewann, weil sie auch die scheinbar leichten Spiele sehr ernst nahm.

Der BFC überzeugte wieder einmal durch Stehvermögen. In Situationen, da Spielerpersönlichkeiten wie Rainer Troppa und Frank Rohde verletzt waren, erwiesen sich die Aktiven der zweiten Reihe als vollwertiger Ersatz. Der Mannschaft des BFC gilt der Glückwunsch, weil sie die einzige Elf war, die in der gesamten Saison durchgängig gute Leistungen bot. Hoher Anspruch an sehenswertem Fußball und dessen Realisierung bildeten wie bei keinem anderen Klub eine Einheit. Mit sechs Punkten Rückstand folgen Dynamo Dresden und der 1. FC Lok Leipzig auf den nächsten Plätzen, nur durch die Tordifferenz voneinander getrennt. Das gleiche Bild wie im Vorjahr. Nur betrug damals der Abstand zum Meister zwei Zähler. Am Anfang dieser Saison war das Duo für die Berliner noch eine echte Konkurrenz.

Durch unnötige Punktverluste, die sich eben der BFC nicht leistete, gab es keinen Endkampf um den Titel. Erneut fehlte Dresden und Lok die Konstanz. Anerkennung gebührt aber zwei anderen Mannschaften: Aue und Stahl Brandenburg. Die Wismut-Elf unter ihrem engagierten Trainer Hans-Ulrich Thomale behauptete den vierten Platz und nimmt erstmals seit 25 Jahren wieder am Europapokal (UEFA-Cup) teil. Als Aue in dem vielleicht entscheidenden Spiel um den vierten Rang den 1. FC Magdeburg 2:0 bezwang, kamen 25.000 Zuschauer in das Lößnitztal. Eine deutlichere Bestätigung, daß Leistung Anklang beim Publikum findet, gab es kaum. Daß Neuling Stahl Brandenburg trotz enormer Besetzungssorgen seinen Platz in der Oberliga behauptete, fand nicht nur in der Stadt der Stahlwerker Beifall.

Die Elf stellte sich der Herausforderung durch das Hinwenden zu angriffsbetontem Fußball. Leider konnten die anderen Klubs, vor allem der FC Karl-Marx-Stadt und der FC Hansa Rostock, wieder nicht die Erwartungen erfüllen. Und auch in Magdeburg, Erfurt, Jena und Frankfurt fällt die Saisonbilanz nicht positiv aus. Da es wenig Anlaß zu einem Gesamtlob gibt, überrascht es nicht, daß die Auswahl nicht zu überzeugen vermochte und in der WM-Qualifikation schon jetzt abgeschlagen auf Platz vier liegt. Was in der Oberliga nicht gelingt, kann in der Nationalelf erst recht nicht gelingen. Taktische Zwänge und nicht zu akzeptierende Klubziele (Klassenerhalt oder eben nur einen UEFA-Cup-Platz) dienten nicht der Stärkung der Auswahl und führten zu Verkrampfungen, wie Chefverbandstrainer Dr. Fuchs feststellte.

Noch immer zeitigte auch der Versuch, vom Pärchenbetrieb wegzukommen und die kombinierte Raum-Mann-Deckung zu praktizieren, wenig Erfolg, und beim Angriffsaufbau wurden Mittelfeld und Abwehr zu selten sinnvoll einbezogen. Erfolgreiche Mannschaften spielen heute meist mit zwei Sturmspitzen, die vor allem bei zügigen Kontern Gefahr bringen sollen, indem sie die Freiräume schnell nutzen. Vor allem fehlende Technik beim Schlagen und Addressieren langer und genauer Pässe ist die Ursache dafür, daß der Spielaufbau zu langatmig ist und die freien Räume selbst verengt werden. Ein Lichtblick aber sollte noch genannt werden: Einige jüngere Spieler (Thom, Stübner, Kirsten) rückten mit ihrer unbekümmerten Art, Fußball zu spielen, in den Vordergrund.


Eckhard Galley, Neues Deutschland, 03.06.1985