Wie geht's - wie steht's? / Hans-Jürgen Riediger

Längere Zeit war es ziemlich ruhig um ihn. Trainer Jürgen Bogs, seine Mannschaftskameraden vom BFC Dynamo und die Anhänger des zweifachen Meisters vermißten ihn mehr als drei Monate lang. Die bisherige Saison war sehr kurz für den blonden Berliner, der am Sonnabend seinen 25. Geburtstag feierte, wozu wir ihm auch von dieser Stelle aus noch recht herzlich gratulieren. Am zweiten Punktspieltag, am 30. August, als der Titelverteidiger in Zwickau mit einem 3:1-Vorsprung längst die Weichen gestellt hatte, knickte der antrittsschnelle und wendige Stürmer bei einem Torschußversuch zwei Minuten vor dem Abpfiff um. Er mußte ausscheiden. Die Diagnose von Mannschaftsarzt Dr. Kurt Poltrock lautete: Bänderkapselriß im rechten Sprunggelenk.

Bereits am Montag wurde operiert. Damit war der 28fache Nationalspieler zum dritten Male durch eine derartige Verletzung außer Gefecht gesetzt. Schon im Herbst der Jahre 1976 und 1979 hatte er sich jeweils im linken Sprunggelenk solchen Eingriffen unterziehen müssen. Wie ist einem da zumute? "Die Enttäuschung war natürlich groß, wieder zum Zuschauen verurteilt zu sein. Aber Zeichen der Resignation kamen nicht auf. Ich hatte nur ein Ziel: So schnell wie möglich wieder dabeisein", blickt Hans-Jürgen Riediger auf diese keineswegs angenehme Zeit zurück. In diesen Wochen und Monaten merkte er aber auch, wie beliebt er ist. Neben den Mannschaftskameraden und Freunden aus dem Klub besuchten ihn zahlreiche Anhänger. Andere schrieben ihm, wünschten baldige Genesung und Rückkehr auf das Spielfeld.

"Am schlimmsten war, tatenlos zusehen zu müssen, wie wir aus dem Europapokal der Landesmeister ausgeschieden sind. Wenn man draußen sitzt, sei es auf der Tribüne oder vor dem Fernseher, ärgert man sich noch mehr, wenn etwas schiefgeht, weil man es überhaupt nicht beeinflussen kann", plaudert der BFC-Torjäger, der in der vergangenen Saison gemeinsam mit dem ebenfalls verletzten, in diesem Spieljahr überhaupt noch nicht eingesetzten Hartmut Pelka mehr als ein Drittel der 72 Meister-Treffer erzielt hat (Pelka 15, Riediger 13). Als nach vier Wochen der Gips abgenommen wurde, begann sofort das Rehabilitationstraining. Da standen Kräftigungsübungen, radfahren und schwimmen auf dem Programm. Schritt für Schritt ging es voran.

Nicht zuletzt auch im Studium an der Außenstelle Berlin der DHfK. Der angehende Diplomsportlehrer fand mehr Zeit für zahlreiche Konsultationen und kam so seinem Berufsabschluß ein merkliches Stück näher. In dieser Zeit pflegten die Riediger-Frauen Viola und Nicole (4 Jahre) den Ehemann und Vater, freute sich der fünf Monate alte Marcel, öfter als sonst einen Spielgefährten zu haben. Das Studium absolviert Hans-Jürgen Riediger zusammen mit seinem Klub- und Nationalmannschaftskameraden Artur Ullrich. Da gibt es viele Berührungspunkte, helfen sie einander, wo es nur geht. "Als Artur in Vorbereitung des X. Parteitages ebenso wie Norbert Trieloff, Ralf Sträßer und Roland Jüngling den Antrag stellte, Kandidat der Partei der Arbeiterklasse zu werden, und mich bat, einer seiner Bürgen zu sein, habe ich mich darüber sehr gefreut und gern zugestimmt", erzählt Hans-Jürgen Riediger, der seit vier Jahren Genosse ist.

"Bei allen vier ist der Entschluß im Kollektiv gereift, in dem wir uns über alle Dinge und Probleme offen und ehrlich unterhalten, engagiert diskutieren, um gemeinsam zu bestmöglichen Leistungen zu finden. Denn das ist stets unser Streben." Ab 20. November ging es dann in die vollen, konnte das komplette Trainingsprogramm absolviert werden. Und am 7. Dezember, beim Halbserien-Halali, war der Nationalspieler erstmals wieder dabei. Im FDGB-Pokal-Viertelfinalspiel in Erfurt schickte ihn Trainer Bogs in der 68. Minute für Jüngling aufs Feld. "Das war ein herrliches Gefühl, endlich wieder in einem Spiel mitwirken zu können." So nimmt der BFC-Stürmer ein klein wenig Wettkampferfahrung mit in die Winterpause, in der er weitere Kräfte sammeln wird, "um mitzuhelfen, den dritten Meistertitel zu erringen, und möglichst bald wieder in der Nationalmannschaft spielen zu können". Dazu wünschen wir dem aufgeschlossenen Berliner aus Finsterwalde recht viel Erfolg.


Manfred Binkowski, Neue Fußballwoche, 23.12.1980