Im Hundertsten schlug der Libero zu

Feststimmung in Berlin. Seit Tagen ein ausverkauftes Stadion. Bei der Pressekonferenz eine Stunde vor dem Spiel herrschte ein Andrang wie wohl noch nie bei einem Oberligaspiel. Das war schon Länderspielatmosphäre. Frank Fleischer, viele Jahre selbst Oberligaspieler, mußte fast zwei Dutzend Fotografen-Westen ausgeben. Viel Prominenz auf der Ehrentribüne. Strahlender Sommer-Sonnenschein trug ein übriges bei zu der großartigen Stimmung unter den 30.000, die überhaupt nicht abbrach, bereits durch ein Sieben-Tore-Vorspiel der Nachwuchsmannschaften eingeleitet und in der Halbzeitpause mit einer Kleinfeldpartie sechs- und siebenjähriger BFC-Steppkes einfallsreich überbrückt wurde. Die Siegerehrung verzögerte sich länger als erwartet. Zunächst bildeten Spieler, Trainer und Funktionäre ein Freudenknäuel. Dann liefen alle hinüber zum immer größer werdenden Fan-Block, bedankten sich bei ihren treuen Anhängern für die gute Unterstützung.

Anschließend hatten die Fotografen das Wort, wurden die Meisterfotos geschossen. Und schließlich kamen vor der großen Ehrung auch noch die Frauen und Kinder der BFC-Männer zu ihrem Recht, gab es hier und da ein Küßchen, hatten plötzlich Pelka, Jüngling und Troppa ihre ebenfalls strahlenden Spröß linge auf dem Arm. Eine große, zufriedene BFC-Familie. Niemand nahm Anstoß an dieser Verzögerung. Jeder hatte Verständnis dafür, freute sich mit dem Meister. Dann endlich war es soweit. Das Siegerpodest bot ein strahlendes Bild. Der Pokal wanderte von Hand zu Hand. Jeder betrachtete ihn glücklich, hat seinen Teil zur Erringung beigetragen. Norbert Trieloff, der 22jährige Libero, hatte an diesem Tage gleich mehrere Anlässe zum Feiern, wenn d e r Grund natürlich der Meistertitel war.

Er gehört seit der Saison 1974/75 zum Oberligakollektiv und bestritt am Sonnabend sein 100. Punktspiel in unserer höchsten Klasse. Und dazu steuerte er den entscheidenden Torerfolg bei. Das war überhaupt erst sein zweiter Treffer. Den ersten hatte er am 15. März erzielt, beim 10:0 über Chemie Leipzig drei Minuten vor dem Abpfiff für den Endstand gesorgt. Diesmal schlug er nun allein zu. Ein "goldener" Treffer in doppelter Hinsicht, denn er entschied nicht nur dieses Spiel, sondern auch die Meisterschaft. Der BFC Dynamo holte den zweiten Titel an die Spree. Die Anhänger feierten das gebührend. Noch lange nach dem Spiel sangen Hunderte vor den Kabinenfenstern, so daß sich auch das Umziehen der Spieler ein wenig verzögerte, weil sie sich immer wieder zeigen mußten. Sie taten es gern. Denn auch das gehört zu einem Meister.


Manfred Binkowski, Neue Fußballwoche, 13.05.1980