Vor 30 Jahren im Blickpunkt - heute noch am Ball - Hannes Matzen (Berlin)

1948 wurde die neue Sportbewegung gegründet. Auch der Fußballsport unseres Landes nahm organisierte Formen an. Uber Männer, die damals im Blickpunkt des Geschehens standen, über die man heute sagt, sie gehörter zu den Aktivisten der ersten Stunde, und die dem Fußball bis in unsere Tage treu geblieben sind, berichtet diese mehrteilige fuwo-Serie.

53 Jahre alt, gelernter Werkzeugmacher, jetzt stellvertretender Vorsitzender des BFC Dynamo, verantwortlich für den Nachwuchsleistungssport; seit Gründung des BFC 1967 beim Klub; vorher von 1959 bis 1967 im Büro der Zentralen Leitung der SV Dynamo Instrukteur für Fußball; von 1961 bis 1965 Fachschulfernstudium an der DHfK Leipzig. Hannes Matzen wurde u. a. mit den goldenen Ehrennadeln des Ministeriums des Innern, des DTSB und des DFV der DDR sowie der SV Dynamo ausgezeichnet. Er ist Mitglied der Nachwuchsentwicklungskommission des BFA Berlin. Zwei A-Länderspiele, mehrfache Berufungen in Auswahlvertretungen. Der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich: August 1958 bei einem Heimspiel des SC Dynamo Berlin. Nach einem unglücklichen Zusammenprall muß Hannes Matzen im Oberligatreffen mit dem SC Motor Jena vom Rasen getragen werden.

"Ade, Fußball!" sagte der bewährte Flügelstürmer zu einigen am Spielfeldrand stehenden Journalisten. Er ahnt die Schwere der Verletzung. Eine bittere Stunde, denn die Diagnose heißt: komplizierter Schien- und Wadenbeinbruch, der ihm zwei Jahre zu schaffen macht. Seine sportliche Karriere ist als 33jähriger beendet, aber "Ade, Fußball!", davon kann bald keine Rede mehr sein. Die Erfahrungen eines so erfolgreichen Spielers - unter anderem 75 internationale Begegnungen - werden gebraucht. Hannes Matzen erzählt vom Beginn seiner Laufbahn. 1947 trat er den bewaffneten Organen bei, um mitzuhelfen, die junge antifaschistisch-demokratische Ordnung auf sichere Füße zu stellen.

"Mein politisches Bewußtsein wurde damals in Wittenberge durch meinen Dienststellenleiter Genossen Westerkamp mitgeformt. Er war von den Nazis wegen seiner aufrechten fortschrittlichen Gesinnung ins Konzentrationslager geworfen worden. Mit seiner Überzeugungskraft im persönlichen Gespräch trug er wesentlich dazu bei, daß ich im November 1947 um Aufnahme in die Partei der Arbeiterklasse bat." Bis 1949 leistete Hannes Matzen seinen Dienst bei der Wasserschutzpolizei und jagte dem runden Leder in der SG Wittenberge-Süd nach. Nach einjährigem Zwischenspiel in der Elf der VP Potsdam kam er 1950 zur Mannschaft der VP Dresden, die schon zu dieser Zeit das Niveau des DDR-Fußballs bald mitbestimmte.

Seinen ersten sportlichen Höhepunkt erlebte der Linksaußen ("Meine Spezialität waren Kopfballtreffer!") dann 1952, als die Dresdner im FDGB-Pokalfinale Einheit Pankow in Berlin mit 3:0 bezwangen, wobei sich Hannes Matzen und Rechtsaußen Karl Holze die Torausbeute teilten. In der Meisterschaft wurde hinter Turbine Halle der zweite Platz belegt. ehe 1953 der große Wurf mit dem DDR-Titelgewinn gelang. "Es ist schon angenehm, an diese Jahre zurückzudenken. an die gemeinsamen Spiele und Erfolge, zusammen mit Heinz Klemm, 'Moppel' Schröter, Herbert Schoen, Herbert Maschke und all den anderen", blickt Hannes Matzen zurück. Er zählt schließlich auch zu den "Stammvätern" des heutigen BFC Dynamo, denn 1954 wechselten die Dresdner nach Berlin über.

"Wir wurden schnell heimisch in neuer Umgebung. Besonders gern erinnere ich mich an die oftmaligen Städtekämpfe, wie gegen Warschau oder Prag. Hier fühlten wir uns in der Auswahl mit den Spielern des ASK Vorwärts oder auch des SC Motor, Vorgänger des 1. FC Union, bald als echte Berliner" meint Hannes Matzen. Und das ist er nun längst. Heute hat er die Verantwortung für 140 talentierte BFC-Jungen, vom Kinder- bis zum Jugendalter. Die Freude ist Hannes Matzen anzumerken, daß nicht nur im Oberligakollektiv vorwiegend junge, noch zu weiteren Hoffnungen berechtigende Spieler stehen. "In der Juniorenliga gab es zuletzt ebenfalls 'gute Jahrgänge'. Erst in diesen Tagen waren Rainer Ernst, Lars Petzold, Falko Götz sowie Bernd Martin im Aufgebot der DDR-Junioren für die Freundschaftstreffen mit Ungarn dabei, auch Jochen Illert und Hendrik Sardowski haben das Zeug dazu."

"Mit Einmannarbeit sind all unsere vielfältigen Aufgaben selbstverständlich nicht zu lösen", ergänzt Hannes Matzen. "Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, auch einmal öffentlich durch die fuwo allen Trainern, Übungs- und Mannschaftsleitern im Klub, den Verantwortlichen in den Trainingszentren, den Übungsleitern in der SV Dynamo, aber auch unseren Sportfreunden im Patenbezirk Cottbus herzlich für ihre stete Einsatzbereitschaft und enge Zusammenarbeit zu danken. Sie alle haben zum Beispiel daran Anteil, daß allein neun Spieler des BFC Dynamo für die EM-Vorrundenkämplle der A-Elf und det Nachwuchsvertretung unserer Republik gegen die Niederländer nominiert wurden."


Hans Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 14.11.1978