Im Schlußgang reiften endlich die ersten Früchte

Interview mit Jürgen Bogs
Geboren am 19.01.1947 in Biesendahlshof (Kreis Angermünde). Aktiv von 1960 bis 1970, u. a. Aufbau Schwedt, DHfK. Direktstudium an der DHfK von 1966 bis 1970. Ab 1970 Trainer beim BFC, bis 1976 im Nachwuchsbereich. Dort führte er die Junioren zweimal auf Rang zwei der Junioren-Oberliga. 1976 zum Cheftrainer des BFC berufen, ab der Serie 1977/78 verantwortlicher Oberliga-Trainer. Beruf: Chemiefacharbeiter, Diplom-Sportlehrer. Verheiratet, zwei Kinder.

Dem BFC wurde von Pressekollegen die beste Halbzeitausbeute der letzten 10 Jahre bestätigt. Grund zu Zufriedenheit, Optimismus?
Bogs:
Zu Optimismus ja, zu Zufriedenheit nicht. Wir analysieren unsere Halbserienleistungen genau. Und die Mannschaft erreichte auch im Vorjahr Platz 3 mit ebenfalls 17:9 Punkten, aber ohne Rückstand zum Spitzenreiter. Was uns optimistisch stimmt, ist weniger die Plazierung als vielmehr der erreichte Fortschritt der Formierung und Stabilisierung der Mannschaft.

Der BFC machte zwei ganz gegensätzliche Phasen in dieser Halbserie durch: bis 8. Spieltag nur 8:8 Punkte und 13 Gegentore, vom 9.-13. aber 9:1 Punkte und nur fünf Gegentore.
Bogs:
Das ist für uns nicht so verwunderlich, auch wenn in der Startphase nicht alles nach den Erwartungen verlief. Aber als Dr. Dieter Fuchs und ich unsere Arbeit aufnahmen, wollten wir unseren Vorstellungen vom Fußball, von der Entwicklung des BFC entsprechend die ideale Formation suchen. Und das ging nicht ohne Probieren.

Ein Wort vielleicht erst noch zur Zielrichtung beim BFC?
Bogs:
Wir streben den Durchbruch zur Spitze an. wonen dabei die spieltechnischen Potenzen mehr nutzen, mehr entwickeln. Ausdauer, Fitness besaß die Mannschaft, daß sie meist 90 Minuten wie aufgezogen herunterspielte. Wir wollen den Fitness-Stand bewahren, aber Spielgestaltung, Spielaufbau verbessern, so daß unser Spiel ansehenswerter, attraktiver, aber auch durchdachter, vielseitiger wird.

Sie setzten neun Spieler in mindestens 11, sieben sogar in allen 13 Punktspielen ein. Das verrät Konstanz. Dennoch wurde viel versucht, probiert?
Bogs:
Das stimmt beides. Einmal hatten wir einen Blick über den Zaun nach Dresden, Magdeburg getan und dort unschwer feststellen können - da wird über Jahre mit einem weitgehend gleichen Kreis gearbeitet. Das erhoben wir auch zum Prinzip. Wir orientierten uns nicht so sehr auf neue Leute - nur Pelka ist ja in dem Sinne neu -, sondern auf die Position für jeden Spieler, wo er für unsere Mannschaft am wirkungsvollsten werden kann. Und da ging es ohne praktische Erfahrung nicht.

Besetzung und Spielkonzeption sind eng verflochten. Wie stehen Sie zu der international stärker praktizierten kombinierten Raum-Mann-Deckung?
Bogs:
Ich meine auch, wir müssen dem Trend folgen. In der Vorbereitungsperiode versuchten wir auch so zu spielen, merkten aber in den ersten Punktspielen, vor allem beim Einbruch in Leipzig gegen den 1. FC Lok, mit zwei jungen Leuten im Mittelfeld, die oft nur noch dem Drang nach vorn folgten, die Abwehrsicherung vernachlässigten, ging das nicht gut. Wir stellten um, besetzten das Mittelfeld durch Labes-Rohde-Terletzki mit erfahrenen Akteuren und versuchen nun schrittweise, uns dieser Spielweise zu nähern.

28 Tore, davon 11 auswärts, 7:5 Auswärtspunkte bei drei Auswärtssiegen verraten, der BFC ist einem wirkungsvollen Offensivspiel doch einen guten Schritt näher gekommen?
Bogs:
Ja, wobei die Früchte erst im Schlußgang vom 9. - 13. Spieltag reiften. Nach dem 0:1 in Böhlen, unserem ärgerlichsten Fehltritt, riß der Knoten, weil wir uns endlich durchrangen, konsequent mit einer Formation durchzuspielen.

Nun gelang fast alles, sogar ein Sieg beim Meister in Dresden.
Bogs:
Der war enorm wichtig, vor allem für das Selbstvertrauen der Spieler und - ich sage es offen - auch von uns Trainern. Dieses und die folgenden Resultate bestätigten uns, wir sind in Training und Spielweise auf dem richtigen Weg.

Aber noch nicht am Ziel aller Wünsche?
Bogs:
Keineswegs. Individuelle Fehler in der Abwehr wie die vielgerügte mangelnde Chancenverwertung sind unübersehbar und letztlich Ausdruck von Rückständen in der technisch-taktischen Ausbildung. Hier harrt noch viel Arbeit. Ja, und auch in der Anreicherung der Spielsubstanz ist noch einiges offen, so ein Gegenpol für Frank Terletzki auf der linken Seite. Unsere Angriffe laufen noch zu einseitig über ihn, über rechts.

Nun laufen schon die Vorbereitungen auf den Start zur 2. Halbserie. Gibt's Veränderungen, gibt's Neues beim BFC?
Bogs:
Im Grunde nicht. Wir bleiben auf unserem Kurs mit der zuletzt erfolgreichen Stamm-Formation und hoffen auf einen vollwertigen Lauck, auf das Nachdrängen der Sträßer, Helms in ihrem Reifeprozeß, und wir testen einen jungen Mittelfeldakteur von Dynamo Schwerin, Klaus Lüdke, denn klar ist, die gegenwärtige Position soll abgesichert, der spielerische Vorsprung Dresdens, Magdeburgs verringert werden.


Horst Friedemann, Deutsches Sportecho, 16.01.1978