Der BFC Dynamo rief - und 144 Jungen kamen

Großer Jubel und Trubel herrschte am vorangegangenen Sonntagvormittag im Berliner Sportforum. Obwohl für diese Zeit keine Spiele angesetzt waren, tummelten sich auf drei Kleinfeldern sechs Mannschaften. Noch viel mehr fußballbegeisterte Jungen sah man auf den Anlagen darum. Sie liefen umher, wurden von Übungsleitern mit gymnastischen und Ballübungen vertraut gemacht oder spielten untereinander. Zwischendurch ging immer wie der ein Blick hinüber zu den Spielfeldern, ob dort die Partie nicht endlich beendet ist, damit man selbst wieder zum Zuge kommt. Der BFC Dynamo hatte für den Vormittag dieses 22. Mai Schüler der 2. bis 4. Klasse zu einem "Treffpunkt Olympia" eingeladen.

144 kamen, zumeist aus dem nahegelegenen Lichtenberger Neubaugebiet, aber auch aus vielen anderen Stadtteilen Berlins. Vielfach waren Vater oder Mutter mitgekommen, mitunter sogar beide. Sie waren, wenn auch passiv außerhalb des Spielfeldes, nicht minder begeistert bei der Sache wie ihre Söhne. Einige ganz eifrige nutzten fast jede Spielunterbrechung, um ihren Sprößlingen Hinweise zu geben. Dieses Treffen diente dazu, talentierte Jungen für den Fußballsport zu gewinnen. So ließ man sie in erster Linie spielen, um ihre Eignung erkennen zu können. Getrennt nach Klassen 2, 3 und 4 wurden in jeder Altersstufe mehrere Mannschaften gebildet, die gegeneinander spielten. Alle Jungen kamen am Ende auf drei Begegnungen.

Dabei ging es nicht minder temperamentvoll zu als in unseren Oberligastadien. Jeder Torerfolg wurde wie ein großer Sieg gefeiert. Da fielen sich Jungen, die sich bis dahin noch nie gesehen hatten, hier zu einer Mannschaft gehörten, jubelnd um den Hals. In der spielfreien Zeit gab es ebenfalls keine Muße. Da machten Übungsleiter die Jungen mit Ballübungen, wie Ballannahme und -abspiel, vertraut, wurden kleine gymnastische Einlagen und schließlich auch ein paar Sprints über zehn und dreißig Meter absolviert. Erster Vorgeschmack auf ein systematisches Training. Bei allem waren die Jungen mit Rieseneifer bei der Sache. Bei dieser Gelegenheit konnten sich die aufmerksam beobachtenden BFC-Nachwuchstrainer ein gutes Bild von der Fußballeignung der Jungen machen.

Und das taten Hermann Bley, Kurt Brüggemann, Kurt Zernecke, Werner Voigt, Detlef Wilken und zahlreiche weitere Übungsleiter. "Die Resonanz war erfreulich groß", meinte der einstige Oberligaspieler Wolfgang Filohn, jetzt Nachwuchsleiter beim BFC Dynamo. "Wir haben in jeder Altersstufe etwa zehn Jungen notiert, die uns besonders talentiert erschienen. Sie werden nun zum Training eingeladen, vorerst als Gruppe zusammenbleiben, ehe die wiederum Besten nach einer gewissen Zeit Aufnahme in diesem oder jenem Mannschaftskollektiv finden." An diesem sonnigen Sonntagvormittag wurden ganz gewiß nicht wenige Jungen für den Fußballsport gewonnen. Wenn sie auch nicht alle beim BFC Dynamo spielen können, so sind viele doch auf den (Fußball-)Geschmack gekommen und werden sich einer Gemeinschaft anschließen. Auch das ist schließlich ein Stück Turnfestvorbereitung.


Manfred Binkowski, Neue Fußballwoche, 01.06.1977