Das fuwo-Thema

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In diesen Tagen deutete sich im Fußballgeschehen unserer Hauptstadt eine Wende an. Lauck wechselte von der Wuhlheide in die Steffenstraße, und aus den Dynamo-Reihen gingen Voigt, Kempke und Jakob zu Union. Nun könnte man diesen Wechsel für eine völlig normale Sache halten, was er tatsächlich auch ist. Weil das Normale in unserem Fußball nicht immer die Norm ist, lohnt es, sich damit ein wenig näher zu beschäftigen. Beim 1. FC Union zeigte man viel Einsicht. "Uns war nach unserem Abstieg klar", so hörte man nicht nur vom Vorsitzenden Fettback und vom Cheftrainer Prüfke, "daß wir im Interesse des Berliner Fußballs, im Interesse der Auswahl vor allem Reinhard Lauck die Möglichkeit geben sollten, in der Oberliga zu spielen, ihn also zu delegieren." Ebenso vernünftig äußerte man sich beim BFC Dynamo.

"Miteinander sind wir stärker", so und ähnlich formulierten es Vorsitzender Kirste und Cheftrainer Nippert, "nicht alle unsere Kader können in der Oberliga eingesetzt werden. Warum sollten sie dann nicht bei Union spielen, um dort nach Möglichkeit den Aufstieg zu schaffen und zu reifen?" Man sollte weniger darüber rechten, daß derartige Einsichten erst jetzt kommen, sondern sich vielmehr freuen, daß so eine größere Gemeinsamkeit erreicht wird, ein Miteinander, das uns allein voranbringt, im Kleinen wie im Großen. Und auch daran mangelte es in der Vergangenheit, denn das Delegieren ohne den entsprechenden Rücklauf ist nur eine halbe Sache. In Berlin wurde ein Anfang gemacht, der, wie zu hören war, im Bezirk Dresden zwischen Dynamo und Stahl Riesa bereits eine Fortsetzung fand.

Nützlich wäre es, würden diese Beispiele Allgemeingut, in Leipzig, Rostock und auch anderswo. Den Horizont zu weiten, über die eigene Kirchturmspitze hinwegzusehen, das braucht unser Fußball. Je schneller und nachdrücklicher wir damit beginnen, um so eher schaffen wir, daß Wünsche und Erreichtes übereinstimmen. Das setzt sich freilich nicht im Selbstlauf durch, und weder beim 1. FC Union noch beim BFC Dynamo wird dieser Anfang problemlos vonstatten gegangen sein. Doch hier wurden diese Probleme progressiv gelöst. Und genau darauf kommt es an. Insbesondere in dieser Saison, die in mancherlei Hinsicht bedeutungsvoll für unseren gesamten Fußballsport ist.


Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 14.08.1973