In die Spitze vorgestoßen

Zwölf Jahre gingen ins Land, ehe dem BFC nach der Vizemeisterschaft des Jahres 1960 (mit 32:20 Punkten) der Durchbruch zur Spitze gelang. Was er mit dem Paukenschlag des Vorjahres, dem Einzug in das FDGB-Pokalfinale (l:2 gegen Dynamo Dresden), andeutete, führte er auf erstaunliche Art und Weise fort. Stimmungsvoller konnte der Melodienreigen der Berliner kaum sein, den sie sowohl im EC II als auch in der Punktspielserie offerierten. Ob Cardiff City, der V.A.V. Beerschot, Atvidaberg FF oder Dynamo Moskau, alle bekamen sie die gewachsene Leistungsstärke des BFC zu spüren, der als Europapokal-Neuling fast bis an die Pforten des EC II-Finales in Barcelona gelangte. Es war der folgerichtige Preis für Selbstdisziplin, Ausschöpfung des gegenwärtigen Leistungsvermögens, Leidenschaft und Hingabe. Neunter 70/71 (mit 25:27 Punkten und 31:29 Toren), Vizemeister 71/72 — das war weit mehr als eine Überraschung zu nennen, das ist neben dem Titelgewinn des 1. FCM die Sensation der Saison! Endlich besaß der BFC eine homogene Mannschaft, an der nicht gerüttelt wurde.

Hans Geitel und "Moppel" Schröter orientierten ihre Elf auf einen zupackenden, wuchtigen Konterstil, der vom Safety first bis zur Torproduktivität reichte. Das weittragende, temposcharfe Steilspiel aus der kompromißlosen Abwehr heraus besaß Qualitätsmerkmale, die durchaus noch zu verbessern sind. 35 Gewinnpunkte waren genau 10 mehr als im Vorjahr. 45 Tore überboten nur Dresden und der 1. FCM, 20 Gegentore klassifizieren die Deckung als die beste der höchsten Spielklasse überhaupt! Daß die Berliner 70/71 auswärts lediglich 6:20 Punkte und 8:19 Tore einbrachten, mutet heute, da sie als einzige Mannschaft (!) eine positive Auswärtsbilanz (14:12 Punkte, 18:13 Tore) besitzen, wie ein schlechter Scherz an. Nur in Magdeburg (0:1), Aue (0:1) und Jena (2:3) unterlag der BFC. Noch größere Ambitionen als Platz 2 aber blieben im heimischen Sportforum mit fünf verlorenen Punkten auf der Strecke. Wer vor Saisonbeginn die Vizemeisterschaft für den BFC in Erwägung gezogen und die Länderspiel-Einsätze gegen Uruguay für Schulenberg und Carow prophezeit hätte, wäre vermutlich mitleidig belächelt worden. Doch wer zuletzt lacht, tat es noch immer am besten.

Autor nicht bekannt, Neue Fußballwoche, 20.06.1972