Leser fragen Prominente - Jochen Carow

Zwei Fragen, Jochen Carow, werden Ihnen in diesen Tagen sicherlich immer wieder gestellt: Ist Atvidaberg FF ein angenehmer Europapokal-Partner für den BFC Dynamo, und erreichen Sie mit Ihrer Mannschaft das Halbfinale im EC II?
Carow:
Natürlich sind wir mit dem Losentscheid nicht unzufrieden, denn es hätte schlimmer kommen können. Was in unseren Kräften liegt, werden wir geben, um auch die nächste Runde zu erreichen.

Wie erklären Sie überhaupt die beachtliche Leistungssteigerung des BFC in dieser Saison?
Carow:
Viele Faktoren wirken darauf ein: Klarheit im Kopf über die Leistungsziele, kontinuierliche Trainingsarbeit, ein echter Kampf um den Stammplatz, da nur der Beste spielt, konstante Besetzung und der zusätzliche Ansporn durch die Europapokal-Spiele.

Verdankt der BFC den 3. Tabellenplatz seiner eigenen gewachsenen Spielstärke oder ist er auf die geringe Stabilität fast aller Oberliga-Kollektive zurückzuführen?
Carow:
Wir brachten uns selbst durch großen Fleiß voran.

Überrascht Sie nicht dennoch die beste Auswärtsbilanz aller Mannschaften der höchsten Spielklasse?
Carow:
Nein! Auch in den vergangenen Jahren sahen wir auswärts nicht schlecht aus. Bessere taktische Disziplin führte in dieser Serie sofort zu Erfolgen. Jeder ging vor allem viel konzentrierter zu Werke.

Wie beurteilen Sie Ihren Cheftrainer Hans Geitel?
Carow:
Ich halte viel von seinen menschlichen und pädagogischen Qualitäten. Er besitzt ein sehr gutes Verhältnis zur Mannschaft, ist ein kluger Taktiker bei Spielvorbereitungen, ganz zu schweigen von seinen psychologischen Fähigkeiten.

Welches waren Ihr schönstes Spiel und Ihr wertvollstes Tor?
Carow:
Das dramatische 1:1 nach Verlängerung im Ninian-Park gegen den FC Cardiff City in der 1. Runde des Europapokals. Mein verwandelter Elfmeter trug mit zum Weiterkommen bei.

Ging dieses Elfmeterschießen nicht mächtig an die Nerven?
Carow:
Worauf Sie sich verlassen können! Daß es überhaupt noch dazu kam, war in erster Linie das Verdienst Werner Lihsas, der eine großartige Torsteherpartie bot.

Charakterisieren Sie Werner Lihsa bitte etwas näher?
Carow:
Er ist ein äußerst sicherer Linientorwart mit großem Reaktionsvermögen. Es macht mir Spaß, vor ihm zu spielen, da auf ihn in jeder Hinsicht Verlaß ist.

Welches war Ihr schönstes Erlebnis in Ihrer sportlichen Laufbahn?
Carow:
Die Mexiko-Reise mit der Nationalmannschaft im Jahre 1965 und die Europapokalspiele des gegenwärtigen Wettbewerbs.

Sehen Sie im 1. FC Magdeburg einen ernsthaften Titelanwärter?
Carow:
Durchaus, wenn er seine gute Form beibehalten kann.

Wer kommt noch für den diesjährigen Meistertitel in Frage?
Carow:
Ich hoffe wir! Selbst angesichts der hohen Belastung, auf drei Hochzeiten, in der Meisterschaft, im FDGB- und im Europapokal zu tanzen.

Welchen Platz wird Dynamo Dresden zum Saisonende einnehmen?
Carow:
Einen vorderen auf jeden Fall.

Kann Neuling Vorwärts Stralsund die Oberligazugehörigkeit behaupten?
Carow:
Ich glaube nicht. Sich nur heimstark zu zeigen, reicht auf die Dauer nicht aus.

Ist der FCK tief weiterem Formanstieg in der Lage, die Oberliga zu halten?
Carow:
Ja. Eigentlich spielte die Mannschaft nie ausgesprochen schwach. Sie hatte viel Pech. Das Kollektiv verfügt über ausreichende spielerische Potenzen, um sich durchzusetzen. Dieter Erlers Zurücknahme als Libero halte ich für einen gelungenen taktischen Schachzug.

Wer gewinnt in diesem Jahr den FDGB-Pokal?
Carow:
Im letzten Jahr unterlagen wir Dynamo Dresden im Finale. Vielleicht sind wir diesmal mit einem Sieg dran.

Wie kamen Sie zum Fußball?
Carow:
Über den Straßen- und Schulfußball stieß ich 1953 in Berlin zu Motor Köpenick. Danach spielte ich für die GSG Köpenick, ehe ich zum damaligen SC Dynamo Berlin ging, für den ich nun schon 12 Jahre aktiv bin.

Wieviel Spiele bestritten Sie für den BFC und wieviel Tore schossen Sie bislang? Schafften Sie vielleicht sogar einen Hat-Trick?
Carow:
Über 160 Punkt- und Pokalspiele. Auf ein Punktspieltor warte ich noch. Was nicht ist.

Wie steht es mit Selbsttoren?
Carow:
Damit kann ich ebenfalls, glücklicherweise, nicht dienen.

Wer war Ihr erster Übungsleiter?
Carow:
Der Sportfreund Karl Krüger.

Vor einigen Jahren warf man Ihnen Labilität, mangelnden Ernst vor. Wie stehen Sie dazu?
Carow:
Ich kenne diesen Vorwurf. Darf ich ihn mit dem Hinweis auf altersbedingten Leichtsinn beantworten?

Sie neigen nicht mehr so stark wie früher zum risikovollen Spiel. Worauf ist das zurückzuführen?
Carow:
Es ist zum großen Teil Hans Geitels Verdienst. Hinzu kommt meine eigene veränderte Einstellung zum Spiel des "letzten Mannes".

Sie spielten wahrscheinlich schon auf vielen Positionen. Sagt Ihnen der Libero am meisten zu?
Carow:
Ich kenne mich auf allen Mannschaftspositionen aus. Dennoch fühle ich mich als Libero am wohlsten. Als "freier Mann" kann man die Aktionen am besten kontrollieren, erkennt man sofort, wo Gefahr heraufzieht.

Welche Stärken und Schwächen haben Sie?
Carow:
Gutes Kopfball- und Stellungsspiel sind meine Stärken. Lässigkeit ist eine meiner Schwächen. Mehr will ich jedoch nicht verraten.

Woran dachten Sie, als Ulrich Wehling in Sapporo in der Nordischen Kombination die erste Goldmedaille für die DDR gewann?
Carow: I
ch konnte mir vorstellen, welchen moralischen Auftrieb dieser schöne Erfolg gab, welchen Kampfeswillen er bei allen DDR-Aktiven auslöste, den ersten Start unserer selbständigen, souveränen Olympiamannschaft mit der größten Hingabe wahrzunehmen. Außerdem beeindruckte mich die Haltung Dieter Speers, als er in der Biathlonstaffel dem sowjetischen Startläufer Alexander Tichonow seinen Ski lieh. Diese freundschaftliche Haltung verriet echten olympischen Geist.

Ihre Meinung zum Bundesliga-Skandal?
Carow:
Er ist Ausdruck des gesamten gesellschaftlichen Systems in der BRD, das derart skandalöse Vorfälle erst möglich macht. Am bezeichnendsten, daß der Westberliner Verein Hertha BSC wieder mit Mann und Maus in ihn verwickelt ist.

Haben Sie ein Vorbild?
Carow:
Ja, Herbert Schoen. Ein Stopper, der immer mit letztem Einsatz kämpfte, ein hervorragender Sportler und Genosse.

Sind Sie nicht ein wenig traurig, in der Steffenstraße fast immer vor so kleinen Zuschauerkulissen spielen zu müssen? Woher rührt diese geringe Resonanz?
Carow:
Den Berliner zieht es wohl zuerst zu Union. Da sich unsere Leistungen in den letzten Monaten jedoch stark verbesserten, ist auch unser Anhang größer geworden. Hoffentlich hält diese Tendenz an.

Warum spielt der BFC nicht im Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion? Es liegt doch wesentlich verkehrsgünstiger?
Carow:
Unsere Heimstätte ist und bleibt das Sportforum. Höchstens zu Flutlichtspielen weichen wir in den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark aus.

Wer kann von Ihren Mannschaftskameraden zuerst den Sprung in die Nationalmannschaft schaffen?
Carow:
Peter Rohde, bei gutem körperlichen Zustand, Harald Schütze, wenn er seine Kabinettstückchen unterläßt, Ralf Schulenberg, wenn seine Torgefährlichkeit noch zunimmt.

Waren Sie schon einmal ernsthaft verletzt?
Carow:
Leider. 1966 wurde ich am rechten Knie am äußeren Meniskus operiert. Nach 13 Wochen spielte ich jedoch schon wieder.

Wurden Sie in Ihrer Laufbahn des Feldes verwiesen?
Carow:
Einmal, als ich noch bei Dynamo Hohenschönhausen in der Liga spielte. Das liegt allerdings schon zehn Jahre zurück.

Sind Sie ein trainingsfleißiger Typ oder "schonen" Sie sich lieber?
Carow:
Zur Zeit halte ich viel von Fleißarbeit. Früher hielt ich mich beim Laufen raus, spielte lieber nur mit dem Ball.

Bleibt Ihnen noch Zeit für ein Hobby?
Carow:
Wenn Zeit vorhanden ist, beschäftige ich mich mit meinen Kindern. Ich fahre gern Auto, fotografiere und lese ab und an ein gutes Buch.

Was essen Sie am liebsten?
Carow:
Kaßlerbraten mit Sauerkraut.

In welchem Stadion spielen Sie gern?
Carow:
Bei Union an der Alten Försterei, im Georg-Schwarz-Sportpark von Chemie Leipzig und bei Dynamo Dresden. Dort herrscht jene Atmosphäre, die mich begeistert.

Spielt der BFC in der nächsten Saison in Eisleben - Oberliga-Fußball?
Carow:
Nur wenn Dynamo Eisleben aufsteigt!

Welche DDR-Schiedsrichter nötigen Ihnen Respekt ab?
Carow:
Günter Männig und Helmut Bader.

Ist bei einem Oberligaspieler dem Alter eine Grenze gesetzt?
Carow:
Schon. Doch Alois Glaubitz beweist ja, was bei guter körperlicher Verfassung alles möglich ist.

Lieben Sie außer Fußball noch andere Sportarten?
Carow:
Natürlich. Eishockey, Hallenhandball, Leichtathletik und Schwimmen bevorzuge ich.

Was beinhaltet der interne Mannschaftswettbewerb im BFC Dynamo? Welchen Platz belegen Sie zur Zeit?
Carow:
Unser Wettbewerb übt einen positiven Einfluß auf das gesamte Klima in der Mannschaft aus. Jeder Spieler wird monatlich nach Punkten für Trainings- und Wettkampfleistungen, politisch-ideologische Arbeit, Ordnung und Disziplin eingestuft. Im Monat Januar stand ich auf Platz 2.

Wie wird die Nachwuchsarbeit in Ihrem Klub gefördert?
Carow:
Ein Blick auf die Tabellen sagt aus, daß wir in allen Altersklassen mit vorn liegen. Viele bewährte Kräfte sind mit ganzem Herzen bei der Sache. Daß die Nachwuchsarbeit beim BFC Dynamo mit zu den besten in der Republik gehört, ist sicherlich keine Übertreibung von mir.

Wer ist Ihrer Meinung nach der beste Feldspieler in der DDR?
Carow:
Ich kann unmöglich nur einen nennen. Streich, Seguin, Irmscher und Stumpf gefielen mir in dieser Saison bisher sehr gut.

Was wünschen Sie sieh für den Monat März?
Carow:
Konstante Form aller Spieler und gute Zuschauerunterstützung, um gegen Atvidaberg und in den Punktspielen so erfolgreich wie möglich abzuschneiden.

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 22.02.1972