Erstrebenswertes Ziel: Gütezeichen "Q" / BFC Dynamo mit verbesserter Spielanlage, aber vor dem Tor fehlte der "Biß" / Nach gelungenem Saisonstart wurde das Tabellenmittelfeld dann doch der Stammplatz

Fünfmal verlor der BFC Dynamo im ersten Meisterschaftsdurchgang mit 0:1. Hätte er in diesen Treffen jeweils ein l:l erzielt, wäre er mit 18:8 Punkten bei "Halbzeit" Tabellenzweiter gewesen. Eine Milchmädchenrechnung? Gewiß, schließlich zählen die Endresultate, aber dennoch sei festgestellt, daß der BFC — abgesehen von der 0:1-Heimniederlage gegen Dresden und dem 0:l in Erfurt — stets einem besseren Ergebnis zum Greifen nahe war, dank guter Leistungen in der Deckung und im Mittelfeld.

Das konnte man u.a. lesen nach dem 0:1 beim 1. FC Lok Leipzig:
• Nach der geschickten Raum-Öffnung fehlte das Umsetzen der in der Abwehr und im Mittelfeld gesetzten Akzente im Angriffsspiel;
• nach dem 0:l beim FC Hansa Rostock: Wie schon so oft, mangelte es vor dem Tor am Konzentrationsvermögen;
• nach dem 0:l bei Sachsenring Zwickau: Die Angriffsspitzen des BFC konnten jedoch nicht für den durchaus möglichen Torerfolg sorgen. Ein 0:1-Verlierer im Abonnement! Dabei waren die Berliner drauf und dran, die Zeichen von 1960 auch 1970 zu setzen und eine Rolle in der Spitzengruppe zu spielen. Mit drei aufeinanderfolgenden Siegen gingen sie in die Saison, hoch geschraubte Hoffnungen fanden jedoch keine Nahrung.

Das Mittelfeld war fortan der Stammplatz des BFC. Fleiß, Ehrgeiz, Kampfgeist all das konnte man Dynamo bescheinigen, auch eine Spielanlage, die durchaus den Erkenntnissen modernen Fußballs entsprach. Zu selten wurden aber die verheißungsvollen Aktionen vor oder im gegnerischen Strafraum zweckentsprechend abgeschlossen, wie auch die Pressekritiken schon aussagten. In Tornähe geriet zu oft Sand ins Getriebe (das 5:0 gegen Riesa und das 3:0 gegen Aue waren die Ausnahmen und bestätigen die Regel), der BFC war von Schußangst, von Überhast geplagt, die meisten Spieler konnten den Nachweis gut ausgebildeter Schußtechnik nicht erbringen. Der 24jährige Fleischer und der 30jährige Becker sind allein in diesen Kreis nicht eingeschlossen, wobei der Mittelfeldroutinier durch drei verwandelte Foulstrafstöße gegen Stahl Riesa (5:0), 1. FC Union (l:1) und Magdeburg (2:1) in entscheidendem Maße wichtige Punkte miterringen half.

Einige weitere Faktoren unterstreichen die Schwäche des BFC: In der ersten Halbzeit (also in 585 Minuten) wurden lediglich vier Treffer verbucht; zwei volle Erfolge hintereinander glückten nach dem "Raketenstart" nicht mehr; auf fremdem Boden wurden nur zwei Pluspunkte geholt (in der gesamten Spielzeit 1968/69 waren es immerhin acht, 1969/70 sogar zehn). Die Sorgen der Berliner werden auch an der Tatsache deutlich, daß sie erneut über Gebühr viele Spieler einsetzten, Hatten die Verantwortlichen nicht dann und wann doch zu wenig Geduld mit den Nachwuchsleuten? Labes wurde sechsmal aufgeboten, davon fünfmal eingewechselt, während er in Erfurt - ein Kuriosum (deutlicher gesagt, ein arger organisatorischer Schnitzer) - wegen Verletzung dem Auswechseltorhüter Bräunlich Platz machen mußte, weil kein Feldspieler zur Verfügung stand.

Weber war neunmal nominiert, achtmal hatte er aber nur Gelegenheit, im Verlauf der zweiten Hälfte als neu ins Geschehen eingreifender Spieler seine Chance wahrzunehmen. Sachlich-kritische Worte überwiegen in dieser Einschätzung. Trotzdem: Die Basis, wieder gänzlich in den Blickpunkt wie vor einem Jahrzehnt zu rücken, ist beim BFC vorhanden. Der Sprung in die Qualität kann geschafft werden, wenn man die noch schlummernden Reserven konsequenter als bislang ausschöpft und der Reifeprozeß der zahlreichen Talente im harten Oberligakampf deutlicher als in der Vergangenheit zum Tragen kommt. Für die Berliner ist das erstrebenswerte Ziel, daß sich zum Clubemblem BFC das Gütezeichen Q gesellt.

Hans-Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 09.02.1971