Zwischenbilanz / Parallele zum Vorjahr

Nach gutem Start kam der BFC Dynamo beim Abpfiff des siebenten Spieltages genau wie im Vorjahr auf 4:10 Punkte / Die Krise wurde überwunden / Veränderungen in der taktischen Spielanlage brachten zum Abschluß der ersten Halbserie noch ein ausgeglichenes Konto
Um dem derzeitigen Leistungsvermögen des BFC Dynamo gerecht zu werden, bedarf es eines Rückblicks. Dem Berliner Club war der Vorwurf gemacht worden, er hätte zwar recht gute Nachwuchsmannschaften, die sogar deutsche Meistertitel der DDR in ihren Altersklassen errangen, der Zufluß der Talente in das Leistungskollektiv würde aber nur tropfenweise vor sich gehen. Aus dieser Situation resultierte auch die Auffassung, daß einige Spielerpersönlichkeiten - wie zum Beispiel Günter Schröter, der jetzt Cheftrainer Hans Geitel assistiert - zu früh die Oberligaschuhe an den Nagel gehängt hätten. Die Kritik und alles Wenn und Aber beantwortete die Leitung seit der Gründung des Fußballclubs mit der Zielstellung, den Schwerpunkt der Arbeit besonders bei den Junioren auf die individuelle Entwicklung zu verlagern, um die "Erste" systematisch aufzubauen.

Daran änderte auch der Abstieg 1967 nichts. Zwölf Monate später war der BFC Dynamo wieder oben. Nach sieben Punktspielen hatte er das magere Ergebnis von 4:10 auf dem Konto. Doch dann riß der Knoten. Zur Hälfte hieß es bereits 11:15, und am Schluß war der Aufsteiger auf Platz Zehn mit 25:27 Punkten zu finden. Das Spieljahr 1969/70 begann recht erfolgversprechend. Einem 1:1 in Erfurt folgte ein 2:2 auf eigenem Rasen im Sportforum gegen den FC Karl-Marx-Stadt. Es waren die besten neunzig Minuten der ersten Halbserie in Hohenschönhausen. Da lief der Ball auf beiden Seiten, schienen die Berliner wie die Aktiven des FCK auf dem besten Weg. Für das 0:2 in Zwickau hatte man Verständnis. Das 3:1 über den Namensvetter aus Dresden erweckte den Eindruck, daß der BFC seine Möglichkeiten ausschöpft.

Doch dann kam das 2:5 im Ortsderby gegen den FC Vorwärts, obwohl es in der ersten Halbzeit den Anschein hatte, der Meister müßte seit langer Zeit seine erste Punktspielniederlage in einem Heimspiel beziehen. Was aber der Dynamo-Angriff an Gelegenheiten versäumte, ging nicht auf die berühmte Kuhhaut. Die Quittung folgte prompt nach dem Seitenwechsel. Der Tiefpunkt wurde erreicht, als anschließend nach einer 1:0-Führung gegen den HFC Chemie in der ersten Minute sich die Abwehr von erschreckender Hilflosigkeit zeigte, die bis dahin kaum in Tritt gekommenen Hallenser noch 4:1 gewannen. Alle Schwächen waren innerhalb von drei Tagen bloßgelegt. Lücken in der Deckung, zu geringe Durchschlagskraft im Angriff. Nichts hatte sich gegenüber dem Vorjahr geändert. Damals tat man den Schachzug, Harald Schütze in die zweite Reihe zurückzunehmen.

Die damalige gute Form des jungen Mannes kittete die locker gewordene Verbindung der Hintermannschaft mit der Sturmreihe. Ein Spieler war gefunden, der die Fäden zu knüpfen verstand. Doch in dieser Serie erreichte der Harald nicht mehr diese Verfassung. Der Elf fehlte die so notwendige Spielerpersönlichkeit. In dieser Situation versuchte man es mit dem Einsatz von Peter Rohde. Dank dessen taktischer Disziplin, einer neuen Spielkonzeption festigte sich das Kollektiv, wobei nicht zuletzt die Auswechslung der Torhüter eine positive Rolle spielte. Lihsa wußte seine Chance durch glänzende Leistungen zu nutzen. Es ging wieder aufwärts. Die Deckung bewies jetzt Stabilität. Doch der Angriff ließ weiterhin einige Wünsche offen. So anerkennenswert es ist, daß der BFC die Krise überwunden hat, er ist sich selbst bewußt, wie das auch aus dem Trainerkommentar hervorgeht, seinen eigenen, erfolgversprechenden Stil noch finden zu müssen.

Das Urteil des Kapitäns Dieter Stumpf:
Wir haben in den ersten Punktekämpfen dieser Serie erneut Lehrgeld bezahlen müssen. Wir glaubten, zu Beginn allein mit spielerischen Mitteln zum Erfolg kommen zu können. Doch die Kontrahenten setzten vor allem ihre physischen Kräfte ein, suchten mit manchmal nicht mehr zu vertretender Härte die Spiele für sich zu entscheiden. Ich bedauere das, denn damit wird das Spielniveau insgesamt wohl kaum gehoben. Wir paßten uns dann besser den Bedingungen an. stellten uns taktisch um, verstärkten die Abwehr und versuchten durch ein größeres Laufpensum zugleich angriffswirksamer zu werden. Das ist im wesentlichen gelungen, wobei ich mich als Kapitän besonders freue, daß die Mannschaft in der kritischen Situation nach dem Heimspiel gegen den HFC Chemie keine Resignation spüren ließ, von sich aus sagte: Nun erst recht. Für die zweite Hälfte erwarte ich eine Steigerung, da wir die günstigeren Ansetzungen lür uns haben.

Statistische Details: Der Kapitän war am beständigsten

Torschützen:
7
Lyszczan (6), Becker und Aedtner (je 4), Prescher (2) sowie Schütze, Weber und Fleischer (je 1)

Herausstellungen: keine.

Verwarnungen: 12 an 7 Spieler:
Trümpler (3), Prescher, Lyszczan und Schütze (je 2) sowie Carow, Rohde und Lihsa (je 1)

Spieler des Tages: Lihsa am 9. und Aedtner am 11. ST

Höchste  Siege: 3:0 1. FCM (H) und jeweils 3:1 Dynamo Dresden (H) und Stahl Eisenhüttenstadt (H)
Höchste  Niederlagen: 2:5 FC Vorwärts (A), 1:4 HFC Chemie (H)

Zuschauerresonanz: 95.000 (7.307 im Schnitt pro Spiel)
Heimbilanz: 32.000 (5.333) in 6 Spielen
Auswärtsbilanz: 63.000 (9000) in 7 Spielen

Größter Heimbesuch: 8.000 Dynamo Dresden
stärkster Auswärtszuspruch: 15.000 Chemie Leipzig, 12.000 FC Rot-Weiß Erfurt, 10.000 FC Vorwärts und Stahl Riesa

Spieler       Sp.  Punkte pro Spieltag                                Ges. Durchschn.
                   1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8.  9. 10. 11. 12. 13.
1. Stumpf     13   8   7   5   6   5   4   7   8   7   5   6   6   6   78  6,00
2. Becker     13   6   6   5   7   6   4   4   6   7   4   7   6   7   75  5,77
3. Aedtner    13   4   8   4   6   5   6   6   5   6   3   9   5   5   72  5,54
4. Schütze    13   5   6   6   5   5   5   4   5   7   5   6   6   6   71  5,46
5. Carow      13   6   5   6   5   5   3   4   5   6   4   7   6   5   67  5,15
6. Trümpler   13   5   6   5   6   4   4   4   5   6   4   6   5   5   65  5,00
7. Prescher   13   5   7   4   6   4   4   3   5   6   5   6   4   5   64  4,92
8. Hall       12   4   4   6   6   5   5   4   5   6   5   6   5       61  5,08
9. Lyszczan   11   5   7   5   2   3           6   8   7   6   5   7   61  5,54
10.Fleischer   8   6   7   4   9   4   6   4           5               45  5,62
11.Lihsa       7                           5   5   9   7   8   5   6   45  6.43
12.Bräunlich   7   7   7   6   5   4   6                       5       40  5.71
13.Rohde       7                           5   6   6   5   6   5   5   38  5,43
14.Weber       5   5   4   3       5   4                               21  4,20
15.Großmann    3                       4   5       5                   14  4,66
16.Schneider   2           4           4                                8  4,00
17.Meinhardt   1                                                   5    5  5,00
18.Schulenberg 1   4                                                    4  4,00
                  70  74  63  63  55  59  55  59  79  59  73  63  52  834 46,33


Rolf Gabriel, Neue Fußballwoche, 10.02.1970