Der BFC Dynamo nutzte das Ligajahr / Nach dem vorjährigen Abstieg aus der Oberliga wurde das Kollektiv erheblich verjüngt / Seit dem 14. Spieltag an der Tabellenspitze / 26 Aktive wurden eingesetzt

Lange Zeit galt in der Boxersprache das unumstößlich scheinende Gesetz "They never come back". Dieses "Sie kehren niemals zurück" bezog sich auf die Weltmeister, die einmal ihren Titel eingebüßt hatten und denen es danach nicht mehr gelungen war, ihn erneut zu erobern. Doch auch dieser Nimbus wurde eines Tages gebrochen. Im Fußball konnte davon nie die Rede sein. Auf keiner Ebene. Weltmeister wurden wieder Weltmeister. Landesmeister wieder Landesmeister, und aus der Oberliga abgestiegene Mannschaften kehrten ebenso in das Oberhaus zurück. Ein weiteres Glied in diese Kette fügte in der zurückliegenden Saison der BFC Dynamo hinzu. Nach seinem vorjährigen Abstieg aus der Oberliga kehrte er auf Anhieb wieder in die höchste Spielklasse zurück. Das war den Berlinern übrigens im Jahre 1957, damals noch als SC Dynamo, nach ihrem ersten Ausscheiden aus der Oberliga ebenfalls sofort gelungen.

Es war beeindruckend, wie die Männer aus dem Berliner Sportforum in der Saison 1967/68 diesen Schritt vollzogen. Sie wurden von Anfang an ihrer Favoritenstellung gerecht, setzten sich am achten Spieltag an die Spitze des Sechzehnerfeldes, gaben sie nur noch einmal kurz ab, um sie dann von der 14. Begegnung an unangefochten zu behaupten. Ein beeindruckender Siegeszug! "An diesem Erfolg haben auch die vielen fördernden Mitglieder und die Anhänger, die unserer Mannschaft trotz des Abstiegs die Treue gehalten und ihr auch in entscheidenden Auswärtsspielen den Rücken gestärkt haben, entscheidenden Anteil", hob Klubvorsitzender Manfred Kirste hervor. Für den Berliner Fußball-Club Dynamo verlief die Saison 1967/68 in doppelter Hinsicht erfolgreich. Denn neben dem Oberligaaufstieg wurde das Jahr in der Liga genutzt, um das Kollektiv der ersten Mannschaft erheblich zu verjüngen, das nun ohne Zweifel die Voraussetzungen hat, über einen längeren Zeitraum hinweg zusammenbleiben und das Leistungsvermögen noch erheblich verbessern zu können.

Mit Johannsen, Schütze (beide 19 Jahre), Lyszczan, Weber, Voigt (alle 20), Meynhardt, Schneider (beide 21), Jakob und Fleischer (beide 22) verfügt man jetzt fast über eine komplette Elf talentierter Nachwuchsleute, die sich durchweg bereits ihre Sporen in der Liga verdient haben. Wenn das kein Wechsel auf die Zukunft ist! Wie geht solch ein Generationswechsel vor sich? fragten wir Cheftrainer "Karli" Schäffner, "Auf keinen Fall reibungslos, denn es ist ja das natürliche und gesunde Streben jedes Sportlers, seine Position zu behaupten. Doch bei uns ist dieser Kampf auf eine äußerst faire, kameradschaftliche Welse ausgetragen worden, weil jeder einzelne für das Kollektiv wirkt und in keinem Falle die persönlichen Interessen in den Vordergrund gestellt werden.” Greifen wir das Beispiel Skaba-Meynhardt heraus. Beide spielen linker Verteidiger: der eine, Martin Skaba (32 Jahre), jahrelang erste Wahl auf dieser Position, Kapitän seiner Mannschaft, kann auf acht A-Länderspiele verweisen - der andere, Frank Meynhardt (21 Jahre), ein äußerst talentierter Nachwuchsmann, dem zweifellos die Zukunft auf dieser Position gehört.

Doch trotz alledem gab es zwischen beiden keinen erbitterten Konkurrenzkampf, sondern ein kameradschaftliches, sportlich-faires Miteinander. Der ältere, erfahrene stand dem jüngeren, relativ unerfahrenen mit Rat und Tat zur Seite. "Das war und ist für mich doch eine Selbstverständlichkeit", erklärte Martin Skaba. "Schon in der Liga sollten sich die jungen Talente an die rauhere Fußballuft gewöhnen. Warum soll ich da dem Frank nicht diesen oder jenen Rat geben, da ich doch die meisten Gegner aus eigener Erfahrung kenne und so auf ihre Stärken und Schwächen aufmerksam machen kann?" Hinter diesen Satz gehört an sich ein Ausrufezeichen, denn das ist die Feststellung eines fairen, untadeligen Sportsmanns. Bravo, Martin Skaba, seinen Mannschaftskameraden in jeder Beziehung ein Vorbild!

Dennoch ging dieser Verjüngungsprozeß nicht ganz reibungslos vor sich. Über dieses Risiko war man sich an der Berliner Steffenstraße aber von vornherein im klaren. Dennoch ging man es ein. Es dauerte eine gewisse Zeit, ehe die beste Besetzung gefunden war. "Das wirkte sich vor allem in der ersten Halbserie stark aus, da gerade die jungen Spieler unter den erhöhten Anforderungen einigen Formschwankungen unterworfen waren", schilderte Trainer Schäffner. "Dabei hat es natürlich auch Rückschläge gegeben, wozu ich ganz besonders die beiden 0:1-Niederlagen gegen TSG Wismar und Lichtenberg 47 rechne. Dennoch - wenn es auch leicht ist, jetzt so etwas zu behaupten - war ich stets fest davon überzeugt, daß wir den Aufstieg schaffen."

Im zweiten Meisterschaftsabschnitt schälte sich dann aus den in der gesamten Saison eingesetzten 26 Aktiven die stärkste und beständigste Formation heraus. Sie bewies ihr gestiegenes Leistungsvermögen am besten dadurch, daß in der zweiten Halbserie nicht ein einziges Treffen mehr verloren wurde. Und auch die nervliche Verfassung verbesserte sich beträchtlich. So ließ man sich auch durch einen ziemlich überraschenden 0:2-Halbzeitrückstand gegen den FC Hansa Rostock II nicht beirren. Am Ende verließ man als klarer 6:2-Sieger den Platz. "Der wochenlange Zweikampf mit Energie Cottbus hat die Mannschaft zusätzlich angespornt, stets das Beste zu geben und sich keinen Ausrutscher mehr zu erlauben", meinte Karl Schäffner. Und in noch einer Beziehung konnte der BFC Dynamo im zurückliegenden. Spieljahr einen Erfolg verbuchen. In sämtlichen Begegnungen, die bestritten wurden, gab es keinen Feldverweis für einen Aktiven im rot-weißen Dreß. Ausdruck einer guten Erziehungsarbeit!

Im Schatten der ersten Mannschaft, obwohl davon nur sinngemäß die Rede sein kann, hat der BFC Dynamo in dieser Saison noch zahlreiche weitere beachtliche Erfolge errungen, die sich sehen lassen können. Die zweite Mannschaft, die mit elf Punkten Vorsprung souverän Berliner Stadtligameister wurde, hat am letzten Sonntag bereits vorzeitig den Aufstieg in die Liga geschafft. Und die Nachwuchsvertretungen, die von solch prominenten Leuten wie den Ex-Nationalspielern Herbert Schoen und "Moppel" Schröter, von Hans Geitel und Kurt Zernecke trainiert werden, reden ja schon seit Jahren ein gewichtiges Wort mit, wenn es um Meistertitel oder Pokalehren in unserer Republik geht. Sowohl die Junioren als auch die Jugend erreichten in diesem Jahr das Pokalfinale, die Jugend holte sich die Trophäe, und sie ist auch im gegenwärtigen Meisterschaftskampf jeweils unter den sechs noch verbliebenen Titelanwärtern zu finden. - Ein Kraftquell, aus dem sich schöpfen, der für die Zukunft noch einiges erhoffen läßt!

Ziel: Mittelplatz
Wird die relativ junge Mannschaft in der Oberliga bestehen können? fragten wir abschließend die Dynamo-Verantwortlichen. "Wir wissen, daß wir noch nicht auf allen Positionen die beste Besetzung gefunden haben, dennoch glauben wir, in der Oberliga gut bestehen zu können", sagte Klubvorsitzender Kirste. Und Trainer Schaffner fügte hinzu: "Unsere Mannschaft hat in der Liga ihre Qualitäten, die bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind, bewiesen und wird sich ganz sicher noch steigern. Deshalb bin ich der Meinung, daß es nicht vermessen ist, wenn wir uns einen Mittelplatz ausrechnen." Eine lobenswerte Zielstellung für einen Aufsteiger, der seine Aufgabe nicht allein darin sieht, die Klasse zu halten!

Manfred Binkowski, Neue Fußballwoche, 11.06.1968