Was ich noch sagen wollte

Drei Jahre hatten sich die Spieler des BFC Dynamo und der SG Lichtenberq 47 nicht gesehen. Damals war der Oberligist in die Lichtenberger Normannenstraße zum Stadtligisten geeilt und hatte "in aller Freundschaft" 2:4 verloren. Nun aber war ein Aufeinandertreffen nicht mehr zu vermeiden; die amtlichen Ansetzungen der Spielkommission sind unerbittlich. Dennoch ging (wegen internationaler Verpflichtungen des Clubs) das Ortsderby verspätet über die Bühne - als letztes diesjähriges Punktspiel der zweithöchsten Spielklasse. Sicherlich waren unter den 6.000 Zuschauern nicht wenige, die sich eine herzhafte vorweihnachtliche Holzerei versprochen hatten. Sie wurden arg enttäuscht: So fair wie am Sonnabend ging es im Hans-Zoschke-Stadion nicht immer zu. Das heißt nicht, daß man sich etwas schenkte. Der BFC wollte unbedingt seinen 2-Punkte-Vorsprung gegenüber Energie Cottbus wahren, und die Lichtenberger sind ja dieses Jahr auch nicht gerade auf Rosen gebettet.

Die auf einem Spruchband erhobene, schon bescheidene Forderung "Dynamos vor - schießt ein Tor!" konnten die Clubspieler an diesem Tag alleidings nicht erfüllen. Echte freundschaftliche Atmosphäre herrschte jedoch auch nach dem Spiel in der baufälligen, aber gemütlichen Lichtenberger "Hütte" (amtl. "Sportklause"), in die "47" den BFC zu Kaßler mit Musik eingeladen hatte. "Ich rechnete damit, daß sie uns während des Essens wegen unserer Niederlage madig machen würden und wollte zuerst nur meiner Gästepflicht genügen und nach dem Essen nach Hause gehen. Aber es ist hier so prima, daß ich - was sonst nicht meine Art ist - noch um sieben in einem Lokal sitze", sagte Martin Skaba, Kapitän der Dynamo-Mannschaft, um neun zu mir. "Die Einladung an Dynamo erging ja lange vor dem Spiel, als wir noch nicht wußten, ob wir gewinnen", erklärte Lichtenbergs Vorsitzender Spanke tapfer. "Wir hätten ja auch 0:10 verlieren können. Dann wär's vielleicht nicht ganz so gemütlich geworden."

"Es ist das erste Mal, daß wir in der Liga von einer Gemeinschaft eingeladen wurden", sagte Schorsch Gläser vom BFC. "Solch gemütliches Beisammensein fördert die Freundschaft unter den gegnerischen Spielern, die sich zwar alle dem Namen nach kennen, aber einander im allgemeinen höchsten zweimal zwei Stunden im Jahr begegnen." Um das Maß der Freundschaft an diesem Abend vollzumachen, habe ich mit Hermann Bley endlich einen versöhnenden Händedruck gewechselt. Nun ist mir der "Pitti" nicht mehr böse. Die National-Olympia-Mannschaft hatte sich unterdessen in Schwarzheide (in der Senftenberger Gegend) ausprobiert. Sie schoß acht Tore mehr als Lichtenberg gegen Dynamo, davon erzielte Backhaus zwei. Im Trainingslager Kienbaum sah ich die herzhaftesten Schüsse von Gerd Backhaus direkt. Für ein Unentschieden in Bukarest sind die allemal gut. Das wollte ich - gedämpft optimistisch - noch sagen!


John Stave, Neue Fußballwoche, 05.12.1967