Günter Simon für die "FU-WO" im Berliner Dynamo-Sportforum: Werde kein Torwart, du kriegst die Fehler angekreidet...

...warnte Walter Hindenberg seinen Sohn Detlef Ergebnis: Schlußmann in der Berliner Schülerauswahl
"Nicht weil ich schließlich als Torwart recht erfolgreich war, nein, ich wollte es von Beginn an werden. Körperlich war ich dazu gut geeignet, und Fausten, Fangen und Hechten machten mir als Knabe viel Spaß", leitet der heute 39jährige Walter Hindenberg unser "FU-WO"-Gespräch ein. Auf den Sportplätzen unserer Republik und darüber hinaus ist der schlanke, hochgewachsene Schwarzschopf wegen seines Wagemutes, seiner mitunter tollkühnen Abwehrtaten bekannt. Eine harte, aber auch erfolgreiche Laufbahn hat er hinter sich, die in Eberswalde begann. Jedoch nicht, wie man annehmen sollte, mit dem Fußball, sondern als Handballspieler in der Schulmannschaft. Nicht lange währte aber diese sportliche Neigung, denn bereits im Dezember 1929 stand er — inzwischen 9 Jahre alt - im Tor einer Schülermannschaft der damaligen Eberswalder Britannia 1912.

Sein Talent ließ sich nicht verleugnen; und so gelang ihm über Schüler-, Jugend-und Junioren-Kollektive bereits mit 17 Jahren der Sprung in die 1. Männermannschaft des umgenannten ESV 1912, der in der Kreisliga Berlin spielte. Mit so bekannten Mannschaften wie Tasmania 1900 und Preußen Berlin maßen die spielstarken ESVer ihre Kräfte, und die Trauben hingen in Eberswalde besonders hoch, wovon sich auch die Spvgg. Fürth bei einer 0:2-Niederlage überzeugen konnte. 1939 erreicht den Achtzehnjährigen eine Einladung zu einem Mehrtägigen Überprüfungslehrgang durch Sepp Herberger in Berlin; gemeinsam mit Graf, Podrate und den Torstehern Schönbeck und Berg. Im Anschluß daran absolviert er im Tor der Berliner B-Elf sein erstes repräsentatives Spiel, das mit einem 6:1-Sieg über Brandenburg erfolgreich verlief.

Zwei Jahre später, 1941, ist er, nun schon mit Miller, Graf und Kobierski in der Berliner A-Mannschaft, am 3:0 über Krakau beteiligt. Der faschistische Krieg unterbrach auch die sportliche Laufbahn Walter Hindenbergs, der, im August 1945 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, ein volles Jahr benötigte, um einen komplizierten Beinbruch auszuheilen. Das erste Nachkriegs-Fußballspiel in Eberswalde, in der zwei Mannschaften von "Jung" und "Alt" dem Fußballsport wieder zu neuem Leben verhalfen, sah Walter Hindenberg aber schon wieder im Tor der mit 3:1 siegreichen "Jungen". "In der Brandenburgischen Landesliga wurde in den Jahren von 1947 bis 1949 ein respektabler Fußball gespielt, denn Spieler wie Hans Schöne, Heinz Wohlfart, die Babelsberger, Briesker und Brandenburger waren hervorragende Fußballer, hatten ein hohes spielerisches Niveau", teilte sich uns der heutige Berliner anerkennend mit, der aber zunächst zu Anfang des Jahres 1950 seinen Eintritt in die Deutsche Volkspolizei vollzog und sich auch sportlich veränderte.

Sein Weg führte ihn nach Potsdam, wo er - unterbrochen durch einen kurzen Abstecher zur VP Dresden - in der neuformierten II. DDR-Liga-Mannschaft spielte, die nach Punktgleichheit mit Motor Wismar im Spieljahr 1950/51 erst im Entscheidungsspiel in Stendal unglücklich mit 1:2 unterlag und dadurch den Aufstieg zur Oberliga verpaßte. "Es war bedauerlich", erinnert sich Walter Hindenberg, "daß die hoffnungsvolle Mannschaft auseinanderging, denn spielerisch war sie zu großen Leistungen befähigt. Zu meinen schönsten Spielen zählen noch heute die Treffen gegen den Ortsrivalen Rotation Babelsberg. Die damals in der Oberliga eine gute Rolle spielenden Babelsberger um Heinz Tietz, ‘Schrippe’ Schröder, Harry Adam und Heinz Wohlfart konnten gegen uns fast nie gewinnen, sie kamen lediglich 1950 im Ernst-Thälmann-Stadion vor 29.000 Zuschauern zu einem 2:2."

Im Jahre 1952 zog es ihn nach Berlin, wo er von der SG Dynamo Hohenschönhausen 1957 zum abgestiegenen SC Dynamo Berlin delegiert wurde. Und es ist nicht unwesentlich ihm zuzuschreiben, daß bereits im Jahr darauf dem Berliner Dynamo-Club der Wiederaufstieg zur Oberliga gelang. Mit Marquardt und Klemm standen dann dem Club zwei erstklassige Torleute zur Verfügung, so daß Walter Hindenberg 1959 zu Dynamo Hohenschönhausen zurückkehrte, begleitet von seinen Mannschaftskameraden Herbert Schön und Manfred Michael. Gestützt auf die jetzt starke Abwehr erkämpfte sich die Mannschaft die Staffelmeisterschaft in der Staffel 1 der II. Liga und nach den Aufstiegsspielen gegen Wissenschaft Halle 1:1, ASK Vorwärts Cottbus 3:0, Chemie Lauscha 1:1 und SC Motor Karl-Marx-Stadt 1:1 den Aufstieg zur I. Liga.

Schwere Stunden durchlebte er mit seiner jungen Mannschaft, denn im letzten Spiel, auswärts gegen das mitabstiegsbedrohte Kollektiv von Motor Bautzen, gelang ein verdienter 2:0-Sieg, der den Klassenerhalt sicherte. Sein letztes Spiel bestritt er in Zedenick gegen die jugoslawische Mannschaft von Spartak Subotica, das zwar unter Flutlicht mit 0:1 verloren wurde, Walter Hindenberg und Manfred Michael aber die ehrenvolle Verabschiedung vom Kollektiv brachten. Von diesem Zeitpunkt an übernahm Hindenberg die 2. Mannschaft Dynamo Hohenschönhausens. "Zur Zeit belegen wir in der Stadtklasse hinter Spitzenreiter Berolina Stralau mit nur einem Punkt Rückstand den 2. Platz, hoffen aber, den Aufstieg zur Stadtliga doch noch zu erreichen", ist sein Wunsch für die jetzt von ihm als Übungsleiter betreute Mannschaft.

Zu seinem Sohn befragt, ist die sofortige Reaktion fast etwas ungaubwürdig, doch sie trifft zu: "Ich habe Detlef, der jetzt 14 Jahre alt ist, immer davon abgeraten, Torwart zu werden, well schließlich auf ihm die ganze Verantwortung lastet, jeder Fehler gleich schwer bestraft wird!" Die Worte seines Vaters nahm sich dann auch der Sohn zu Herzen, denn beim SC Dynamo Berlin spielte er in der 2. Schülermannschaft zunächst als Linksaußen. Doch das väterliche Vorbild war nicht zu eleminieren; als Übungsleiter Dübler einen weiteren Torwart unter seinen Jungen suchte, meldete sich Detlef spontan. Und Walter Hindenberg verleugnete seine Freude darüber nicht, vor allem wegen des eigenen, unbeeinflußten Entschlusses seines Jungen.

Mit drei Klassenkameraden trat Detlef 1959 ebenfalls in die Jugendabteilung Dynamo Hohenschönnausens ein, von der er dem Fachausschuß Fußball zur Verwendung in der Berliner Schülerauswahl vorgeschlagen wurde. Mehrere Spiele in der Berliner Schülerauswahl stehen bisher auf der Erfolgsliste des Jungen, der vom verantwortlichen Jugend-Stadttrainer Walter Kaßbohm in die Berliner Schülerauswahl, die sich für die IV. Pionierspatakiade in Erfurt nach Siegen über Cottbus und Frankfurt qualifizieren konnte, berufen wurde. Des Jungen Erfolge sind noch gering, wogegen Walter Hindenberg 33 internationale Spiele - davon drei in der damaligen Ostzonenauswahl gegen Ungarn und Polen - aufzuweisen hat. "Aus dem Jungen kann aber etwas werden, wenn ich nur daran denke, was ihnen heute alles geboten wird, wie fürsorglich sie auch im Sport betreut werden", beschließt er unser Gespräch im Dynamo-Sportforum. Diesen Worten tat nichts mehr hinzuzufügen, sie sprechen für sich selbst.


Günter Simon, Neue Fußballwoche, 15.08.1961