Auf Wiedersehen in Berlin! / Wiener Gemütlichkeit und deutscher Frohsinn ein festes Band

Dynamos Reise nach Wien wurde zur Mission. Österreichs Metropole lernte die Abgesandten eines neuen deutschen Staates kennen, dessen Menschen frei sind von Chauvinismus und Überheblichkeit. Das Auftreten der Dynamo-Sportler fand überall Anerkennung, ob im Hotel, auf den Straßen Wiens, beim Spiel oder nachher anläßlich des gemütlichen Beisammenseins mit den aufmerksamen Gastgebern vom Wiener SK draußen in Grinzing beim Heurigen. Es fing im Hotel Kummer an. Welch ein Unterschied zwischen jenen laut schwätzenden Touristen, vornehmlich aus englischen Sprachteilen Europas, und den Sportlern aus der DDR, die sich ebenso zwanglos wie unauffällig in jener traditionellen Gast- und Raststätte des Fußballs bewegten! Schnell hatten sie mit den jungen Burschen, die vor dem Hotel auf ein Autogramm warteten, Freundschaft geschlossen.

Bald fanden die Namenszüge eines Schröter, Heine, Skaba oder Maschke ihren Ehrenplatz in den dicken Folien der Großen des europäischen Fußballs. Es setzte sich fort beim Spiel auf dem Red-Star-Platz. "Da, schau her, was die für einen guten und fairen Fußball spielen." Lobe für gelungene Spielzüge, Beifall für kräftige Torschüsse, auch wenn sie das Ziel verfehlten (ein Hinweis für die Fußballfreunde unserer Republik), Applaus für einen freundschaftlichen Händedruck, wenn im Eifer des Gefechts einmal der Gegner unabsichtlich zu Fall gebracht wurde, gerechte Anerkennung von Seiten eines ebenso unbestechlichen wie sachlich-kritischen Wiener Publikums. Und zum Schluß dann eine freundliche Verabschiedung der schnell liebgewonnenen Gäste aus der DDR. Dynamo hat in Wien mit seinem ebenso schönen wie fairen Spiel viele neue Freunde gewonnen.

Das spiegelt sich nicht zuletzt auch in den zum Teil ausführlichen Berichten der österreichischen Presse wider. Es fand seinen Abschluß beim gemeinsamen Abend in Grinzing. Wie ein Lauffeuer verbreitete es sich unter den Gästen des Lokals: "Das ist die Mannschaft aus Ostberlin, die heute unseren Wiener SK geschlagen hat." Anerkennende Blicke und Rufe aus den Reihen der hier Erholung suchenden Wiener Bevölkerung. Und als dann die Schrammeln neue und alte Lieder aus Wien, Berlin und Budapest spielten, als die Fußballspieler ihr Dynamolied sangen, verschmolzen die Wiener Gemütlichkeit und der Frohsinn der jungen deutschen Sportler zu einem festen und gemeinsamen Band zwischen Menschen, die nun einmal eine gemeinsame Sprache sprechen. "Auf Wiedersehen beim Rückspiel in Berlin am 23. Juli", riefen die Dynamo-Sportler ihren freundlichen Gastgebern zu. "Auch ihr werdet euch bei uns sicher, wohl fühlen."


Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 20.06.1961