Mit drei "Dynamos" zur Wahl

Sonntagmorgen, 8 Uhr, Berlin-Johannisthal, Großberliner Damm 66. Man - der Berichterstatter ist zwar noch nicht richtig ausgeschlafen, aber dennoch. Treffpunkte müssen eingehalten werden, zumal einer wie dieser. Ich warte auf die drei Dynamo-Spieler "Moppel" Schröter, Hannes Matzen und Herbert Maschke, um sie auf dem Wege zum Wahllokal zu begleiten. Im dritten Stockwerk des fahnengeschmückten, modernen Neubauhauses fliegt ein Fenster auf. Ein richtiger Berliner Steppke steckt seine Nase in den November-Nieselregen. "Vati, er ist da! Der Reporter..." Das war "Moppel" junior. Wenig später sind die drei unten, dazu Kinder, Männer, Frauen, ganze Familien...

"Ja", erklärt Außenläufer Herbert Maschke, "um 8 Uhr geht jetzt unsere ganze Hausgemeinschaft wählen, und zur gleichen Stunde treffen sich auch unsere anderen Spieler Manfred Michael und Herbert Schoen in Hohenschönhausen, wo sie wohnen. Unsere gesamte Elf will am Wahltag mit unter den Ersten sein, das ist doch klar..." Hannes Matzen, leider immer noch mit einem Gipsverband am linken Bein, wird von seinen beiden blonden Mädchen begleitet. "Sieht man doch auf den ersten Blick. das sind junqe Matzens, der schafft "nur" Mädchen... Von wem kam dieser Einwurf? Von "Moppel"...?

Dann erzählt der einst so starke Dynamo-Linksaußen: "Mein Bein macht jetzt wirklich Fortschritte. Nächsten Monat fällt endlich der Gips, dann fange ich wieder an! Jetzt, wo ich viel zu Hause war, hatte ich auch viel Zeit für meine Mädels, und ist es ein Wunder, daß ich gerade in den Tagen der Wahl viel darüber nachgedacht habe? Sie sollen es einmal noch viel besser haben als wir, deshalb stimme ich für die Kandidaten der Nationalen Front!" Nationalmannschafts-Kapitän Günter Schröter wählt dann wie alle seine Kameraden offen: "Das alles ist doch kein Geheimnis. Es kann jeder sehen, wie wir uns entscheiden.

Wir sind für die Kandidaten der Nationalen Front, weil es unsere Vertreter sind. Männer und Frauen aus dem Volk, Arbeiter und darunter auch manche bekannten Sportler. Sie kennen unsere Ziele und Wünsche, und sie garantieren uns weiter eine friedliche Entwicklung im Beruf, im Sport. Allein 1959 haben wir viel vor. Einmal mit der Nationalelf und dann auch im Klub. Es muß weiter aufwärtsgehen! Und vor allem, unser Sport braucht den Frieden... "Na, dann bis nachmittags. Auf Wiedersehen bei eurem Spiel gegen Empor Rostock im Walter-Ulbricht-Stadion..."

Heinz-Florian Oertel, Neue Fußballwoche, 18.11.1958