FDGB-Pokal 1985/86 - Halbfinale Hinspiel: BFC Dynamo - 1. FC Lok Leipzig 4:2

Drei schöne Tore - und sonst?
Erfolge von gestern sind bestenfalls Ermunterung für heute und vielleicht für morgen, wenn man das Rückspiel in Betracht zieht - zu dieser Auffassung dürfte wohl der BFC gekommen sein, als er verdientermaßen aus der ersten Begegnung mit dem FCL als Sieger hervorging. Ob der Zwei-Tore-Vorsprung, mit dem er am 6. Mai in Probstheida antritt, schon der Markstein auf dem Weg in das 35. Pokalfinale ist, muß sich erst noch erweisen. Immerhin können die Messestädter auf zwei Auswärtstore bauen. Spannung dürfte also durchaus noch in der Partie sein - und hoffentlich auch fußballerische Qualität. In dieser Hinsicht ließ die Begegnung in der Hauptstadt doch sehr viele Wünsche offen. Obwohl drei schöne Feldtore zunächst durchaus für Attraktivität sprachen: Pastors Maßflanke und der Kopfball von Backs, einem der Kleinsten (!) auf dem Platz, schlug unhaltbar ein. Dann eine Kopfballtraube - Ernst jagte den zu ihm tippenden Ball volley ins Netz.

Und schließlich Steilpaß von Rohde, Kopfballablage des bedrängten Pastor zum halblinks laufenden Ernst - erneut keine Chance für Müller. Und sonst? Kaum etwas, was das Herz erfreute. Lok offenbarte eine Halbzeit lang keine Endspielambitionen, kam nach 36 Minuten zum ersten erfolgverheißenden Angriffszug über Leitzke, Altmann, Kühn, doch für den Abschluß hatte der Blondschopf offensichtlich zu kurze Beine. Lok bot lange Zeit viel Konfuses. Zum Glück sagte später niemand, das wäre Forechecking oder die Schaffung von Kampfzonen gewesen, was die Leipziger da ab der Mittellinie in der eigenen Hälfte demonstrierten. Vom Hinterstübchen im Kopf und Taktik war die Rede. Die Berliner zeigten sich gegen Lok angriffswuchtiger als zuletzt, sie spielten "ihre individuelle Klasse vor allem in den ersten 45 Minuten aus", wie Lok-Trainer Thomale bemerkte. Und damit bekamen die Gäste, bei denen auch in der Abwehr einiges nicht stimmte (Abseitsfallen), Probleme.

Nach der Pause richtete sich der 1. FCL endlich auf Angriff aus, wenngleich es zu einem Feldtor nicht reichte. Der dribbelstarke Leitzke, der Kämpfer vor dem Herrn Baum und Müller im Tor setzten nun Orientierungspunkte. Drei Strafstöße machten die Partie torreicher. Wie immer bei derartigen Situationen sahen es die einen so, die anderen so, belassen wir es also bei den Tatsachenentscheidungen Zillers, der allerdings auch nicht seinen besten tag hatte, das Spiel mehr pfiff als leitete. Die Verwarnungen mehr als recht, wenngleich auch Backs (gegen Bredow), Kühn (gegen Rohde) und Altmann (gegen Thom) "gelbfällig" waren. Völlig unnötig, wie viele Fouls auf beiden Seiten, auch das von Ernst gegen Schöne, bei dem sich der Berliner inzwischen ehrlich bedauernd entschuldigte. Alles in allem ein durch übermäßigen Kampf zerrissenes Spiel.

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Ksienzyk, B. Schulz, Brestrich; M. Schulz, Küttner (75. Fügner), Backs; Thom, Pastor, Ernst
1. FC Lok Leipzig:
Müller; Baum; Lindner, Kreer, Zötzsche; Altmann, Bredow, Liebers (66. Moldt); Leitzke, Marschall (41. Schöne), Kühn

1:0 Backs              ( 3.)
2:0 Ernst              (27.)
3:0 Ernst              (43.)
3:1 Zötzsche           (63., Foulstrafstoß)
4:1 Pastor             (66., Foulstrafstoß)
4:2 Zötzsche           (75., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Ziller (Königsbrück)
Zuschauer:             6.500


Joachim Pfitzner, Neue Fußballwoche, 06.05.1986