FDGB-Pokal 1983/84 - Viertelfinale: BSG Wismut Aue - BFC Dynamo 3:4

Tolles Spiel mit unglaublicher Zuspitzung
Routiniers stehen ganz besonders in der Pflicht, kritische Momente mit geschultem Blick und risikolosem Verhalten zu meistern. Das unschlüssige Reagieren von Wismut-Stopper Schykowski gegen den sich nach 54 Minuten in Höhe der Mittellinie in Ballbesitz bringenden Ernst trug dieser taktischen Notwendigkeit allerdings nicht im geringsten Rechnung. "Den halbhohen Schuß des Mittelstürmers konnte ich gerade noch abwehren, doch bei der folgenden Flanke auf den freistehenden Schulz war eine erneute Reaktion ausgeschlossen." Mit Schlußmann Jörg Weißflog ahnten und befürchteten die 16.000, daß der unhaltbare Kopfball des bis dahin von Konik energisch und auch erfolgreich bespielten BFC-Flügelstürmers dieses Treffen praktisch auf den Siedepunkt getrieben hatte. Mehr noch als das, wie sich bald zeigen sollte: Es veränderte Konstellation und Kräfteverhältnis grundlegend!

Gute, lobenswerte Vorsätze prägten Wismuts Aktionen in den ersten 45 Minuten: Bewegliches Offensivspiel, geformt vor allem von Erler aus ständig wechselnden Positionen sowie förmlich getrieben von Esther und Bauer als wichtigen Fixpunkten im taktischen Konzept. Mothes, der im Einsatz und in der Laufbereitschaft gegen das erfahrene BFC-Stoppertandem Rohde/Troppa niemals zurückschreckte, trug gleichermaßen dazu bei, daß Wismut ein Bild mannschaftlicher Geschlossenheit mit einer zunächst auch störungsfrei operierenden Deckung bot. Fleiß mündete in Entschlossenheit, das Spiel immer wieder nach vorn zu verlagern; auch bei dem im Mittelfeld gegen Backs aufgebotenen Kraft. Doppelpaßspiel wie vor dem 2:1 zwischen Erler und Escher innerhalb einer dichtgestaffelten Abwehr verriet technisch anspruchsvolles Format.

Ein Spiel also ganz nach dem Herzen jener, die unter dem Begriff "Pokal" mehr als nur Verbissenheit. Kampf, Einsatzbereitschaft bis zum Letzten verstehen. "Wismut ließ sich vom Spielgedanken gleichermaßen leiten wie der allmählich über Ernst, Backs und den spielverständigen Thom immer kombinationsfreudiger auftrumpfende Meister", so das Halbzeit-Fazit aus der Sicht von Verbandstrainer Harald Irmscher. Doch Fakt war dies: Die Berliner lagen nach einem sehenswerten Kopfball von Mothes zu diesem Zeitpunkt mit 1:3 im Hintertreffen. Nicht unbedingt aussichtslos, doch in der Hoffnung auf den Verbleib im Cupwettbewerb doch beträchtlich gedämpft! Daß die Gäste mit Wiederbeginn in ihrer gesamten Zweikampfführung zulegen, sich darüber hinaus auch um ideenvollere, zielstrebigere Mittelfeldregie bemühen mußten, war einfach unumgänglich.

Und beides gelang ihnen schließlich mit dem festen inneren Gefühl, Wismuts Spielfreude nach dem folgenschweren Fehler Schykowskis maßgeblich gelähmt zu haben. Weiter verunsichert, nachdem Ernst den von Schulz per Kopf ins Zentrum dirigierten Ball direkt ins gegnerische Tor geschlenzt hatte, riskierte Aue jetzt nur noch sporadische Tempovorstöße. Der BFC bekam Spiel und Gegner sichtlich in den Griff, fand mit weitangelegten Kombinationen freie Räume vor, die mehrfach nicht mehr rechtzeitig zu schließen waren. Und als der Wismut-Stopper erneut unkontrolliert über den Ball schlug, war es für Netz kein Kunststück, den lauernden Rohde in unbedrängter Schußposition anzuspielen. 3:4 nach der "einzigen Offensivaktion des Berliner Stoppers überhaupt", wie Aues Assistenztrainer resigniert feststellte. Unbarmherzig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, brauchten die Erzgebirgler Zeit und Muße, um sich mit ihrem höchst unglücklichen Ausscheiden abzufinden ...


BSG Wismut Aue:
Weißflog; Schykowski; Teubner (72. Kunde), Schmidt, Konik; Kraft, Erler, Bauer; Bittner (40. Krauß
), Mothes, Escher
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Noack (58. Grether), Troppa, Ullrich; Thom, Terletzki, Backs █; Schulz, Ernst, Netz (88. Voß)

1:0 Escher             ( 7.)
1:1 Ernst              (23.)
2:1 Erler              (38.)
3:1 Mothes             (41.)
3:2 Schulz             (54.)
3:3 Ernst              (59.)
3:4 Rohde              (78.)

Schiedsrichter:        Herrmann (Leipzig)
Zuschauer:             16.000


Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 06.12.1983