FDGB-Pokal 1981/82 - Finale: BFC Dynamo - SG Dynamo Dresden 1:1 n. V. (1:1, 0:0), 5:6 n. E.

Dresden war nicht nur die glücklichere Elf / Das Tor der Elbflorenzer löste spielerische Hemmungen / Nach schwächerem Beginn beachtliche Steigerung nach der Pause und Dramatik über die zwei Stunden Spielzeit hinaus / Die Führung durch Trautmann beantwortete der BFC mit druckvollem Spiel / Vorteile in der Verlängerung für Dresden / Als Backs im Elfmeterschießen an Jakubowski scheiterte, war alles entschieden
Remis zur Halbzeit; Unentschieden nach neunzig Minuten; ohne Entscheidung auch nach der Verlängerung. Die dramatische Zuspitzung des Finales um den FDGB-Pokal kulminierte im sich anschließenden Elfmeterschießen, das Dynamo Dresden die begehrte Trophäe an die Elbe holen ließ. 48.000 Zuschauer feierten den neuen Pokalsieger, unter ihnen die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros des Zentralkomitees der SED Erich Mielke, Horst Sindermann, Harry Tisch, Egon Krenz und Gerhard Schürer sowie DTSB-Präsident Manfred Ewald und weitere Ehrengäste. Aus den Händen von Kurt Zahn, Mitglied des Präsidiums und Sekretär des Bundesvorstandes des FDGB, Günter Schneider, Präsident des DFV der DDR, und Werner Lempert, Generalsekretär des DFV der DDR, empfingen Reinhard Häfner als Kapitän von Dynamo Dresden den wertvollen Wanderpokal und die Spieler beider Mannschaften die goldenen und silbernen Medaillen.

Unser herzlicher Glückwunsch gilt Dynamo Dresden, unsere Anerkennung auch dem BFC Dynamo, die sich ein spannendes, dramatisches Finale lieferten. Die nüchterne Sprache der Zahlen in den zwei Stunden dieses Spiels sprach eindeutig für den BFC Dynamo: 24:9 Torschüsse, 33:14 Freistöße, 13:1 Eckbälle. Und doch: Den Pokal holte sich Dynamo Dresden. Ein Finale mit einem wenig logisch scheinenden Ausgang? Alles andere als das: Dynamo Dresden gewann schließlich verdient, auch dann, wenn bei Entscheidungen, die durch ein Elfmeterschießen herbeigeführt werden müssen, meist die Begriffe Glück und Pech strapaziert werden, das Wenn und Hätte in den Diskussionen eine Rolle spielt. Zum einen schien Dynamo Dresden abgeklärter, ruhiger, nervenstärker zu agieren. Zum anderen legten die Außenverteidiger Schuster und Mittag die Flügelflitzer Netz und Riediger an die Kette, nahmen so dem BFC einiges von seinem Angriffselan.

Zum dritten steigerten sich einige Dresdner in den entscheidenden Phasen ungemein; ob das nun Jakubowski war oder Schmuck, Minge oder auch Pilz. der die Zentnerlasten beim letzten Elfmeter abschüttelte wie ein Hund das Wasser. Und schließlich wirkte Dynamo Dresden geschlossener, hatte zwar auch schwächere Akteure in den schwarz-gelben Reihen, doch das fiel nicht so stark ins Gewicht wie die wenig überzeugenden Leistungen von Ernst oder Netz oder Sträßer auf der anderen Seite, weil jeder die Zähne zusammenbiß, trotz teilweise ungenügender spielerischer Ausstrahlung seinen Kampfgeist in die Waagschale warf. Was indes andererseits nicht heißt, die BFC-Spieler haben es am kämpferischen Einsatz vermissen lassen. Ihr Aufbegehren in dieser Hinsicht verdiente ebenso Anerkennung, es war jedoch nicht im erforderlichen Maße mit der spielerischen Steigerung verbunden, die an diesem Tage erforderlich gewesen wäre, um das Ziel der Sehnsucht, eben das "Double", Wirklichkeit werden zu lassen.

Helmut Stein, einst als Spieler ebenso geschätzt wie heute als Trainer - im Vorspiel gab er noch Proben seines Könnens -, war mit dem Finale rundum zufrieden: "Wir haben ein gutes Endspiel erlebt, ein würdiges, in dem beide Kontrahenten fast alles zeigten, was in ihnen steckt." Ein Urteil, das zu respektieren ist. Dennoch schien uns vom Pokal-Feuerwerk im ursprünglichen Sinne zunächst zu wenig zu sehen. Der Pärchenbetrieb (Backs-Häfner, Terletzki-Pilz, Ernst-Schade) dominierte vor der Pause, ließ die uns anhaftenden technischen Unzulänglichkeiten noch stärker auffallen, zumal, von Minge abgesehen, kaum jemand mal in der Lage war, eine 1:1-Situation zu lösen. Das Spiel ohne Ball wurde ebenso vernachlässigt, wie man in dieser Zeit auch rassige Torszenen vermißte, Abspielfehler zu oft beobachtete. Die Szene, als Riediger flankte, Sträßer zum Kopfball ansetzte, Jakubowski parierte (40.), nahm sich in diesem Zeitraum einsam aus auf meinem Notizblock.

Es fehlte an Ideen, überraschenden Spielverlagerungen, zu vieles blieb Stückwerk. Das änderte sich erst nach dem Wechsel, als die Dresdner sich konsequenter an ihre mehr spielakzentuierte Linie hielten. Der Lohn folgte sofort. Pilz jagte einen Freistoß aufs Tor. Rudwaleit faustete ab. "Ich köpfte seitlich in die Mitte", meinte Libero Schmuck, und der zum ersten Male Vorstopper spielende Trautmann vollendet mit einem Direktschuß. Ein Tor, an dem die beiden zentralen Abwehrspieler Anteil hatten. Der Rückstand war das Signal für den BFC. Druckvoll, stürmisch reagierte er. Doch ob Troppa (54.), Noack (56.), Terletzki (57.) schossen, Jakubowski parierte alles. Backs, Terletzki, auch Trieloff und Troppa taten viel für die Offensive, doch es fehlte zum Elan der kühle Kopf. So mußte der BFC auf den zehnten Eckball warten, erneut eine Standardsituation, um die Verlängerung erzwingen zu können. "Trieloff köpfte den Ball aufs Tor, ich spritzte dazwischen und lenkte ihn mit dem Kopf ins Netz", schilderte Riediger die Szene.

Die Aufholjagd des BFC hatte Kräfte gekostet, physisch wie psychisch. Dennoch überraschte es, daß die Dresdner zunächst wieder die Initiative ergriffen, nachdem sie nach ihrem 1:0 zu abwartend wirkten. Minges Chance (91.), Heidlers Solo (93.) ließen die Anhänger der Schwarz-Gelben in Freude und Enttäuschung ausbrechen. Der BFC antwortete postwendend, als Ernst endlich einmal beherzt abschoß, Jakubowski gedankenschnell reagierte (96.). Und dann der Elfmeter-Hit, der alle in seinen Bann zog, der einem der Jüngsten, der zu den Besten seiner Elf zählte, die wohl bisher größte Enttäuschung brachte: Backs scheiterte an einem Besseren. Doch daran sollte er wachsen, reifen, nicht zerbrechen. Das ging schon ganz anderen so. Als Pilz dann traf, Rudwaleit hatte noch die Hand am Ball, da kannte der Jubel der Dresdner keine Grenzen, verständlicherweise. Sie hatten den Favoriten bezwungen!


BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Noack, Troppa, Ullrich; Ernst, Terletzki, Backs; Riediger, Sträßer, Netz (75. Schulz)
SG Dynamo Dresden:
Jakubowski; Schmuck; Mittag, Trautmann, Schuster; Schade, Pilz, Häfner
; Heidler , Minge, Schülbe (75. Gütschow)

0:1 Trautmann          (51.)
1:1 Riediger           (85.)

Elfmeterschießen:
2:1 Ullrich
2:2 Mittag
3:2 Ernst
3:3 Schmuck
   Backs (gehalten)
3:4 Trautmann
4:4 Troppa
4:5 Gütschow
5:5 Terletzki
5:6 Pilz

Schiedsrichter:        Kulicke (Oderberg)
Zuschauer:             48.000


Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 04.05.1982