FDGB-Pokal 1979/80 - Viertelfinale: 1. FC Lok Leipzig - BFC Dynamo 2:1

Erneut besaß Kühn eiserne Nerven
Zum zweiten Male innerhalb einer Woche wurde in der 76. Spielminute ein Erfolg des Leipziger Klubs entschieden. Und wie schon in der letzten Punktspielrunde gegen Jena an gleicher Stelle, so ruhte auch diesmal wieder die gesamte Last der Verantwortung auf Dieter Kühn, nachdem der Unparteiische den Abwehrversuch von Terletzki gegen den in halbrechter Position einschußbereiten Roth ("unsauberes Aufsetzen des Fußes von hinten, wodurch der Leipziger zu Fall kam", so Hans Kulicke) mit umstrittenem Foulstratstoß geahndet hatte. Rudwaleit erwartete einen Schuß hoch ins linke Eck - typisch für Kühns Vollstreckerqualitäten vom Elfmeterpunkt. "Doch diesen Gefallen tat ich dem BFC-Schlußmann nicht. Ich ahnte seine Reaktion und schlug das Leder scharf in die andere Ecke." Die Nerven spielten dem gefeierten Schützen in dieser bedeutenden Situation erneut keinen Streich!

Die von Beginn an selbstbewußte Gangart der Messestädter imponierte. Großmann, frühzeitig nach Verletzung leider zum Ausscheiden gezwungen, demonstrierte den angestrebten Leipziger Erfolgsstil mit zwei langgezogenen, kraftvollen Dribblings aus dem Mittelfeld heraus (3., 6.). Kreer, Liebers und Roth bewiesen schon in dieser Startphase Schnelligkeitsvorteile gegenüber der BFC-Achse, in der Lauck zwar mehr und mehr zum Ruhepol avancierte, Terletzki jedoch sichtlich mit dem kräftezehrenden Boden und seinem risikolos auftrumpfenden Gegenspieler Kreer zu tun hatte und weit unter normaler Verfassung blieb. Jugendlicher Elan ließ sich durch Routine und Stellungssicherheit diesmal nicht eindämmen! Lok wirkte variabler, taktisch geschmeidiger. Dafür sorgte nicht zuletzt auch die gelungene Aufgabenteilung zwischen Baum und Dennstedt bei überraschenden Offensivaktionen.

Wie der Leipziger Libero den Ball mehrfach im Sprinttempo über das gesamte Feld trieb und ihn dann gefühlvoll in die freien Räume spitzelte, fand zu Recht Beifall. Dieser konstruktive Zug fehlte dem Meister aus der eigenen Abwehr heraus, in der Artur Ullrich wie auch Trieloff zu oft das Leder unkontrolliert nach vorn schlugen und Troppa kaum einmal Mittel und Möglichkeiten fand, um sich von Kühn zu lösen. "Wir hielten das Geschehen über weite Strecken der 2. Halbzeit zwar offen, blieben in der Angriffswirkung aber unter unserem Format. Nur Netz gelangen erfolgversprechende Aktionen", schätzte BFC-Trainer Jürgen Bogs ein. So wie in der 59. Minute (Kopfball freistehend am gegnerischen Tor vorbei) kam jedoch auch der linke Flügelstürmer der Berliner nicht noch einmal in eine günstige Schußposition.

Über das Niveau dieses Treffens wichen die Meinungen nicht maßgeblich voneinander ab: Einsatzbetont, von hohem Tempo gekennzeichnet, im Spielfluß allerdings zunächst durch zahlreiche harte Attacken schon im Ansatz oftmals unterbrochen. Später entkrampfte sich vieles, bewegte sich die Forsche bei insgesamt 14:24 verschuldeten Freistößen im Rahmen. Der BFC bäumte sich noch einmal auf, doch der 1. FCL verstand das Spiel mit zeitverzögernden, sicheren Ballpassagen gut über die Runden zu bringen. "Meine Elf wirkte ausgewogenener, stabiler. Ihre Moral war bewundernswert, ihr Sieg daher verdient." Lok-Trainer Harro Miller durfte zum Jahresausklang noch einmal Genugtuung über den Leistungsanstieg seiner Schützlinge äußern, die bei 14:9 Torschüssen und 10:4 Eckbällen ihren Vorstoß in die Runde der letzten Vier auch statistisch untermauerten.


1. FC Lok Leipzig:
Stötzner; Baum
; Sekora (83. Fritsche), Dennstedt, Zötzsche; Roth, Liebers, Kreer ; Löwe, Kühn, Großmann (30. Englisch)
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Artur Ullrich █ (60. Jüngling), Troppa, Noack; Terletzki █ (83. Brillat), Lauck, Sträßer; B. Schulz, Pelka, Netz

1:0 Liebers            (12.)
1:1 Lauck              (17.)
2:1 Kühn               (76., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Kulicke (Oderberg)
Zuschauer:             8.000


Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 27.12.1979