FDGB-Pokal 1978/79 - Achtelfinale Hinspiel: 1. FC Union Berlin - BFC Dynamo 1:8

Vom Habicht und vom Hühnerhaufen...
Noch nach dem Duschen fragte Reiner Wroblewski ratlos: "Was sollte ich denn nur gegen diesen Riediger machen? Ich habe ihn doch schon hautnah gedeckt. Aber immer wieder entwischte er mir. Er war heute einfach Superklasse!" Diese Anerkennung hat sich der BFC-Stoßstürmer mit Fug und Recht verdient, und man wünscht ihm und uns, daß er in dieser Verfassung auch in Rotterdam aufzutrumpfen in der Lage ist. Wann immer sein Flachsschopf in der Union-Hälfte auftauchte, ob er sich zum energischen Dribbling entschloß, zum blitzschnellen Handeln (beim 0:1), zum herzhaften Torschuß (beim 0:2), zum Doppelpaß (mit Trieloff vor dem 0:6), ob er seinen Mitspielern den Ball maßgerecht vor die Füße legte (Pelka zum 0:5) - er war einfach nicht zu bremsen. Und das Bild vom Habicht, der über dem Hühnerhaufen kreist und sich dann entschlossen auf ihn stürzt, drängte sich auf.

Allerdings sollte in dem einen oder anderen Hühnerhaufen noch mehr Ordnung herrschen als in dieser Union-Abwehr, die aus allen Fugen geraten war, in der Matthies eine indiskutable Leistung bot (zudem zwei Unbeherrschtheiten!), in der Rohde nie richtig sicherte, die praktisch keinen Zweikampf gegen ihre unmittelbaren Kontrahenten gewann, sieht man von einigen Duellen zwischen Möckel und Netz ab. Der 22jährige bescheidene Hans-Jürgen Riediger, der in den letzten Monaten enorm an Selbstbewußtsein und an Profil gewonnen hat, freute sich: "Nein, fünf Tore in einem Spiel habe ich noch nie geschossen. Einmal, wohl beim FCK, waren es drei." Der BFC beherzigte eine grundlegende Wahrheit, nach der der Ball schneller ist als der schnellste Spieler. Nach diesem einfachen Motto deklassierte er den Ortsrivalen in einer kaum erwarteten Art und Weise, und dieses 1:8 erhielt insofern einen sensationellen Anstrich, als es ja auch ein gutes Dutzend Tore hätten werden können.

"Ich bin maßlos enttäuscht", meinte Heinz Werner, der sich im Training einen Muskelfaserriß zuzog und deshalb auf der Tribüne saß, "weil meine Mannschaft kaum ernsthaft Widerstand leistete, geradezu willenlos wirkte und eine peinliche Vorstellung gab." Keiner der jungen Burschen nutzte seine Chance, jeder im weißen Dress spielte aneinander vorbei, so, als habe man sich gerade zwanzig Minuten vor dem Anpfiff getroffen. "Nach dem 2:0 zogen wir die Handbremse ein wenig an, ließen in der Konzentration nach", kritisierte Jürgen Bogs, und es stellt dem erfolgreichen BFC-Trainer ein gutes Zeugnis aus, daß er nach einem so runden Sieg nicht rundum in Zufriedenheit machte. Später dann, nach dem 3:0, tummelten sich seine Burschen nach Belieben, ließen das Stadion der Weltjugend zum Trainingsplatz werden, erzielten blitzsaubere Tore, an denen das gesamte Kollektiv Anteil hatte.

1. FC Union Berlin:
Matthies, R. Rohde, Möckel, Weber, Wroblewski, Treppschuh (ab 67. Helbig), Hendel, Jessa, Heine, Netz, Wirth
BFC Dynamo:
Rudwaleit, Trieloff (ab 82. Jüngling), Artur Ullrich, Brillat, Noack, Troppa (ab 78. Lauck), Terletzki, Eigendorf, Riediger, Pelka, Netz

0:1 Riediger         ( 2.)
0:2 Riediger         (16.)
0:3 Riediger         (47.)
0:4 Terletzki        (49.)
0:5 Pelka            (61.)
0:6 Riediger         (66.)
1:6 Helbig           (68.)
1:7 Riediger         (73.)
1:8 Rohde            (90., Eigentor)

Schiedsrichter:      Scheurell (Wusterhausen)
Zuschauer:           20.000

Klaus Schlegel, Sportecho, Datum nicht bekannt