FDGB-Pokal 1961/62 - Halbfinale: SC Dynamo Berlin - SC Empor Rostock 5:1

Der SC Empor wurde förmlich vom Platz gefegt! / Der SC Dynamo zeigte dem Oberligaspitzenreiter die Zähne, ließ ihn nach der Pause keine Bande finden
Ein Lehrbeispiel, wie ein Fußballspiel sein Gesicht verändern kann. Zur Pause, beim 0:1 durch einen 30-m-Schuß Pankaus, wäre man keineswegs gewillt gewesen, dem SC Dynamo noch Chancen für den Sieg auszurechnen. Trotz des knappen Vorsprungs und nicht zu übersehender Schwächen in den Blau-Gelben Reihen, war man zu dieser Auffassung gekommen. Selbst die Tatsache, daß die Berliner schon vor der Pause, als sie gegen den Wind spielen mußten, Feldvorteile hatten, war nicht in der Lage, den Berichterstatter zu einer anderen Auffassung zu zwingen. Zu offensichtlich waren die Fehlpässe innerhalb der Dynamo-Elf, zu unsicher die Aktionen der Abwehr, die immer Mühe hatte (außer Dorner) das Leder bei ihren Schlägen aus der Bedrängnis heraus im Felde zu halten. Der SC Empor begann selbstbewußt, noch merkte man nicht, daß für den erkrankten Wruck der junge Nachwuchsmann Rump spielte.

Eines war jedoch schon in der besten Zeit der Rostocker nicht zu übersehen: Ihr Angriff hatte nur in Bialas einen Mann von Format, nur in ihm und Leeb eifrige, schaffensfreudige Stürmer. Der linke Flügel war von Beginn an ein Ausfall. Falsches Stellungsspiel von Drews - der nie wußte, ob er sich seinem ballführenden Spieler anbieten oder weglaufen sollte, dazu offensichtliche Angst vor Zweikämpfen mit dem beherzten Dorner, ließen den linken Flügel völlig stumpf werden. Kleiminger paßte sich seinem Nebenmann an, da er ebenfalls jegliche Beherztheit, jegliches Temperament vermissen ließ. Solange Pankau mit vernünftigen Pässen - in der zweiten Halbzeit verletzte er sich bei einem Zweikampf, spielte dann Rechtsaußen, um in der 77. Minute gänzlich auszuscheiden - dem Geschehen noch etwas Präzision verlieh, konnte sich die Mannschaft des SC Empor noch behaupten. Dann war es aber vorbei, gingen die Blau-Gelben einen Gang, der nicht ohne Schockwirkung blieb. Nun gewannen die Berliner ihre Zweikämpfe, ließen die vorher ausfallenden Quest und Ziegler ihre unmittelbaren Gegenspieler leerlaufen. Die Empor-Abwehr überbot sich in ihrer Hilflosigkeit, bekam einfach keinen Stich mehr.

Nur zwei Beispiele beweisen viel. Es war in der 75. Spielminute. Weit segelte Bräunlichs Abstoß bis in den gegnerischen Strafraum. Kurt Zapf, der erfahrene Spieler, der Routinier, ließ das Leder einmal, zweimal auftippen, obwohl ein Trainerwort sagt: laß den Ball nicht springen. Quest war heran, schob, sich dazwischen: Tor! Kaum war die Erregung in Rostocks Hintermannschaft verebbt, da hatte es erneut eingeschlagen. Diesmal war es Heinsch, der sich beim Ausgleichstor einen Finger brach, der seinen Abschlag Bley vor die Füße legte. Der SC Dynamo hat verdient gewonnen. Die Mannschaft bot in der zweiten Halbzeit ein Spiel, das Anerkennung verdient. Auch dann, wenn man weitgehend berücksichtigt, daß der Gegner, vor allem seine Abwehr, viel, in der zweiten Halbzeit sogar alles zuließ. Da gab es kein genaues Decken mehr, wurde das Schußwinkelverkürzen auf den frei anstürmenden gegnerischen Stürmer nicht einmal mehr angedeutet. Maschke und Bley konnten schalten und walten, wie sie wollten. Das alles darf der SC Dynamo nicht vergessen, so schwungvoll wie seine Männer nach der Pause auch stürmten, so berauschend, wie ein aus dem 0:1 heraus geborener Kantersieg von 5:1 auch wirkt.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Dorner, Heine, Skaba; Bley, Maschke; Heine, Skaba; Mühlbächer, Schröter, Quest
SC Empor Rostock:
Heinsch; Rump, Zapf, Söllner; Pankau, Weber; Barthels, Bialas, Leeb, Kleiminger, Drews

0:1 Pankau             (18.)
1:1 Schröter           (56.)
2:1 Maschke            (67.)
3:1 Schmidt            (69.)
4:1 Quest              (75.)
5:1 Bley               (78.)

Schiedsrichter:        Männig (Böhlen)
Zuschauer:             3.000


Horst Szulakowsky, Neue Fußballwoche, 27.02.1962