FDGB-Pokal 1959 - Finale (Wiederholungsspiel): SC Dynamo Berlin - SC Wismut Karl-Marx-Stadt 3:2

Im Gegenstoß fiel der Siegestreffer
In zwanzig mitreißenden Minnten der 2. Halbzeit versöhnte der SC Dynamo im Pokal-Wiederholungsendspiel im Leipziger Bruno-Plache-Stadion seine Anhänger. Diese 20 Minuten waren ausschlaggebend für den Endspielsieg über den Meister SC Wismut. Der neue Pokalmeister hat diesen Sieg verdient, weil er die besseren Nerven, weil er auch insgesamt in diesem Wiederholungsspiel stärker war als im Dresdener Endspiel. Das gibt diesem Sieg den strahlenden Glanz. Im Gegensatz zum ersten Endspiel im Dresdener Heinz-Steyer-Stadion war die Begegnung in Leipzig nicht nur dramatisch und wechselvoll, sondern sie war vor allem in technischer Beziehung, besonders in der ersten Halbzeit, stärker. Diese Tatsache ist erfreulich. Denn meist ist es doch so, daß Pokalspiele die kämpferische Note tragen und dadurch die Technik in den Hintergrund drängen. Dabei muß man bedenken, daß auf dem Rasen des Leipziger Stadions eine leichte Schneedecke lag, die an die Spieler besonders hohe Anforderungen in körperlicher und technischer Hinsicht stellte.

Der SC Dynamo fand sich überraschend schnell mit dieser neuen Situation ab. Fast alle Spieler der Berliner Mannschaft waren wendiger und schneller. Das Spiel begann mit einem furiosen Start der Dynamos. Es sah aus, als würde die Wismut-Hintermannschaft überrannt. Es war deshalb auch verdient, als Hofmann, der quirlige Rechtsaußen, nach Vorlage von Schröter in der 17. Minute den Führungstreffer schoß. Wismut kam in einer neuen Aufstellungsvariante auf den Platz. Der sonst Stürmer spielende Erler stand auf dem Läuferposten, und Eberlein wurde neu in den Sturm hereingenommen. Von dieser Umstellung versprach man sich im Wismut-Lager viel. Die Rechnung schien auch aufzugehen, als nach den schweren ersten 20 Minuten der Meister sich freispielte und Tröger in der 50. Minute in seiner typischen Art den Ausgleichstreffer erzielte. Der Bann schien gebrochen, aber die starke Berliner Hintermannschaft behielt die Nerven, ließ sich an diesem Tag nicht durcheinanderwirbeln.

Schon vor vier Jahren hatte an der gleichen Stelle der SC Wismut gegen Empor Rostock den ersten Pokalsieg errungen. Heute schien es, als würden die Geister der Wismut-Elf wieder wachgerüttelt. Mit Energie, nie erlahmendem Kampfgeist versuchte jetzt die Wismut-Elf auf den Flügeln den entscheidenden Durchbruch. Der die Nummer neun tragende Eberlein wechselte sich laufend mit Zink auf dem Rechtsaußen-Posten ab. Der etatsmäßige Rechtsaußen Killermann spielte mehr vorgeschobenen Mittelstürmer, bildete mit Willy Träger die beiden Sturmspitzen. Die Entscheidung fiel praktisch in der 53. Minute. Wie schon so oft in diesem Spiel war der Halbstürmer Bley dem Verteidiger S. Wolf entwischt. Der Wismut-Verteidiger zog im Strafraum die Notbremse, so daß Schiedsrichter Bergmann aus Hildburghausen den berechtigten Elfmeter verhängen mußte. In diesem Augenblick gingen dem sonst tadellosen Sportsmann Bringfried Müller, dem Kapitän der Wismut-Elf, die Nerven durch. Er ließ sich zu einer Schiedsrichterbeleidigung hinreißen, die ihm Feldverweis einbrachte.

Zweifellos hat der Wismut-Kapitän seiner eigenen Mannschaft den schlechtesten Dienst erwiesen. Trotzdem: Auch ohne ihren Kapitän kämpften die zehn gegen die elf Dynamo-Spieler und hatten damit Erfolg. Eine 25-Meter-Flanke von Siegfried Kaiser ließ der sonst sichere Marquardt überraschend über sich ins Tor senken. Bereits im Gegenzug schoß Dynamo den alles entscheidenden Treffer. Günter Schröter sah Hofmann in aussichtsreicher Position. Sofort kam sein Paß. Aus halblinker Position schoß dann Hofmann aus acht Meter Entfernung das 3:2. Natürlich konnte sich jetzt dieser Dynamo-Sturm, der im entscheidenden Augenblick so enormes Dynamit entfesselte, nur deshalb so entladen, weil Maschke zur überragenden Spielerpersönlichkeit des Feldes wurde. Er knüpfte die Fäden zwischen Verteidigung und Sturm, setzte immer wieder die Flügel ein, so daß die Wismut-Abwehr oft hilflos den Dynamo-Angriffen gegenüberstand. Wie schon im Dresdener Endspiel waren die Dynamo-Läufer Mühlbächer-Maschke ihrem Gegenüber Erler und M. Kaiser überlegen.

Vor allem Erler fand sich mit seinem neuen Posten nicht richtig ab. Er war zwar in der Offensive gut, aber in der Deckung sehr mangelhaft. Dadurch hatte Schröter genügend Spielraum, aus der Tiefe seinen Sturm zu führen, hatte der Routinier den Aktionsradius, den er brauchte. Bei Wismut enttäuschte vor allem Zink! Er fand insgesamt gesehen keinen Kontakt zu seinen Nebenspielern. Neben dem schon genannten Läuferpaar Mühlbächer und Maschke muß man bei Dynamo besonders Rechtsaußen Hofmann erwähnen. der sich in diesem Spiel enorm steigerte. Die beiden Verteidiger Skaba und Dorner wieder ohne Tadel, wogegen Mittelverteidiger Heine am Anfang recht unsicher wirkte. Das Schiedsrichterkollektiv des Dresdener Endspieles war dem von Leipzig klar überlegen. Deshalb überlegen, weil die Linien- und Schiedsrichter besser aufeinander abgestimmt waren. Dynamos treue Schlachtenbummler schwangen nach Spielschluß die Fahnen. Sie strömten auf den Platz. Berechtigte Freude: Ihre Mannschaft hatte zum zweiten Male die wertvolle Trophäe gewonnen. Die bessere Mannschaft hatte gesiegt.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hofmann, Bley, Thiemann, Schröter, Quest (46. Schäffner)
SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Thiele; S. Wolf, Müller, Schlegel; M. Kaiser, Erler; S. Kaiser, Tröger, Eberlein, Zink, Killermann

1:0 Hofmann            (17.)
1:1 Tröger             (30.)
2:1 Schröter           (53., Foulstrafstoß)
2:2 S. Kaiser          (65.)
3:2 Hofmann            (67.)

Schiedsrichter:        Bergmann (Hildburghausen)
Zuschauer:             8.000

Redaktionskollektiv Hans Wolfrum , Dieter Buchspieß und Hermann Gehne, Neue Fußballwoche, 17.12.1959