FDGB-Pokal 1959 - Finale: SC Dynamo Berlin - SC Wismut Karl-Marx-Stadt 0:0 n. V.

Das berichtet ausführlich über das Pokal-Endspiel 1959, das noch keine Entscheidung brachte.
Wir erleben in diesem Jahr, und das zum ersten Mal, ein Pokal-Finale sozusagen mit Bewährungsfrist. Also, noch einmal das schöne Spiel, weil es uns so gut gefiel. Und es hat uns gefallen, darüber gibt es keinen Zweifel. Weniger gefallen aber hat es den beiden Mannschaften, denn Dynamo hat am kommenden Mittwoch eine Rückspielverpflichtung in Belgien bei Gent, und für Wismut verschiebt sich die Meisterschaftsfeier um eine weitere Woche. Noch wissen wir zur Stunde nicht, wo die zweite Auflage stattfinden wird. Eins steht jedenfalls fest, hat die Wiederholung wenigstens das gleiche Format wie die erste Begegnung in Dresden, dann kann sich das Fußballpublikum der noch festzulegenden Stadt auf ein unerwartetes vorweihnachtliches Geschenk freuen. Das 0:0 von Dresden verlängert die schon so ausgiebige Saison in diesem Jahr für den SC Wismut im weitere acht Tage. Daß es so ist, ist nach Beurteilung dieses Pokal-Endspiels nicht so sehr die Schuld unserer Meistermannschaft als die des SC Dynamo Berlin.

Bei den Stürmern der Berliner können sich die Erzgebirgler bedanken, daß sie noch einmal eine Chance haben, das bewährte Doppel, Meisterschaft und Pokal, zu erringen. Es scheint in diesem Jahr so zu sein, als wenn die Berliner Mannschaften ihren Ehrgeiz darein legen, Wismut die Wege zu den beiden höchsten Fußballtiteln unserer Republik offenzulassen. Das tat Vorwärts in der Meisterschaft so, als es sich alle Chancen der Titelverteidigung aus der Hand nehmen ließ. Das tat diesmal Dynamo so, als es nun in Dresden die so zahlreichen Möglichkeiten vor dem gegnerischen Tor nicht zum Pokal-K.o. des Meisters ausnutzte. Es gibt nichts daran zu deuteln, der SC Dynamo hatte an diesem Sonntag das Übergewicht, um sich verdientermaßen als erster zum zweiten Mal auf dem Sockel des FDGB-Pokals eintragen zu lassen. Diese Überlegenheit beruhte auf einer großartig aufeinander abgestimmten Hintermannschaft, in der nur Heine nach seiner Verletzung noch nicht wieder voll da war, obwohl er seiner Aufgabe gerecht wurde.

Hervorragend die Wirkung der beiden Außenläufer Maschke und Mühlbächer, die in dieser Verfassung das richtige Tandem der Nationalmannschaft wären. Ihre Ergänzung in Aufbau und Abwehr ist einfach ohne Fehl und Tadel gewesen. Aber was nützt das alles, wenn aus dieser soliden Grundlage kein Kapital, sprich Torerfolg; herausgeschlagen werden kann. Dabei kombinierte die Stürmerreihe im Mittelfeld teilweise erstaunlich selbstsicher. Aber dann war es eben aus mit der Kunst. Ein quecksilbriger Quest allein genügt nicht, und unser so verdienstvoller Nationalmannschaftskapitän Schröter hat nun doch nicht mehr die Kraft, alles auf seinen Schultern zu tragen. Die Dynamo-Stürmer hatten es mehrfach in den Füßen, aber nicht im Kopf, sonst wären sie bereits Pokal-Sieger.

So aber bleibt Ihnen nur die Hoffnung auf die Wiederholung. Und diese Hoffnung schöpft nun wieder Wismut, es doch noch mit der größeren Routine und Kaltblütigkeit zu erzwingen. In diesen 90 Minuten in Dresden reichte sie nur dazu aus um über die Runden zu kommen. Das soll nun nicht heißen, daß Wismut in diesem Finale eine untergeordnete Rolle gespielt hätte. Auch seine Stürmer setzten sich oftmals gefahrdrohend in Szene. Das gilt vor allem von Träger, der einen sehr guten Tag erwischt hatte und die Abwehr der Berliner zur vollsten Aufmerksamkeit zwang. Recht gut auch Erler, der seine große Befähigung mehrmals andeutete. Die anderen fielen dagegen merklich ab. Von ihnen konnte nur Zink in der ersten Halbzeit überzeugen. Entscheidend aber für das Dynamo-Übergewicht war die Läuferreihe. Was das individuelle Können betrifft, da kann Manfred Kaiser mit Maschke und Mühlbächer ohne weiteres konkurrieren.

Der Manfred setzte sich auch einige Male recht gut in Szene. Aber ihm fehlt der Partner, der ihn wirkungsvoll ergänzt. Schlegel ist kein schlechter Spieler, aber in seinen Aktionen einfach zu langsam. Da die Verteidigungsreihe wohl wirkungsvoll zerstörte, jedoch für den Aufbau von hinten heraus wenig übrig zu haben schien, konnte natürlich kein reibungsloses Ineinandergreifen von Abwehr auf Angriff und umgekehrt erfolgen. Das Pokal-Endspiel 1959 hatte Format, weil beide Mannschaften zu spielen versuchten, weil sie immer wieder ihre ganze Kampfkraft in die Waagschale warfen, obwohl es offensichtlich war, daß doch die lange Saison an den Kräften gezehrt hat. Seinen Höhepunkt erlebte das erste Pokal-Endspiel in der ersten Viertelstunde der zweiten Halbzeit. In dieser Phase drückte Dynamo auf das Tempo, berannte unaufhörlich das Wismut-Tor, aber alle noch so gut gemeinten Ansätze wurden erstickt in der routinierten Deckung oder durch die eigene Unfähigkeit.

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Maschke-Mühlbächer Umschaltstationen
Das Dresdener Finale hatte einen würdigen Rahmen, und gleichermaßen galt der Beifall der objektiven Besucher beiden Mannschaften für gelungene Aktionen. Wenn die Anfeuerungsrufe der Besucher mit fortschreitender Spieldauer in etwas stärkerem Maß der Dynamo-Elf galten, dann hatte das seine berechtigte Ursache: Die Berliner Elf spielte vor allem in der zweiten Halbzeit und vorwiegend auch in den 30 Minuten der Verlängerung ständig leicht überlegen und hatte oftmals die Möglichkeit, eine Entscheidung zu erzwingen. Wir wollen dabei klarstellen: Beiden Vertretungen wäre es durchaus möglich gewesen, den Erfolg zu erringen; aber auf seiten der Berliner waren, insgesamt gesehen, die besseren Torchancen! Wo lagen die Ursachen dafür begründet, daß der 8C Dynamo über weite Strecken dominierte? In erster Linie wohl in der starken Leistung der Achse Maschke-Mühlbächer, die das Läufergespann auf der Wismut-Seite in der Wirkung einwandfrei übertraf.

Als die entscheidenden Schlüsselfiguren im Mittelfeld vollbrachten sie ein unglaublich wertvolles Pensum sowohl in der Abwehr als beim Aufbau. Sie hielten jederzeit die Fäden in der Hand. Lange Zeit sahen wir keine so konstruktive Partie, wie sie Maschke diesmal bot. Seine Paßbälle, dem eigenen Mitspieler maßgerecht in den Lauf hineingespielt und fast immer ein Loch in die gegnerische Deckung reißend, waren einfach großartig! Ja, beim SC Dynamo klappte die Umstellung aus der defensiven Haltung zur offensiven Spielgestaltung besser als beim Meister. Auch er besaß in Manfred Kaiser einen Akteur, dessen Fähigkeiten dem Wismut-Spiel wiederholt den torgefährlichen Zuschnitt verliehen. Im Zusammenwirken mit seinem Nebenmann und der Abwehrreihe insgesamt jedoch erreichte Wismut nicht diese Wirkung. Viele Bälle wurden aus der Abwehr heraus ungenau geschlagen (Schlegel), und insbesondere Seifert erfüllte als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff nicht die Erwartungen.

Allein Siegfried Wolf schlug jeden Ball mit Überlegung nach vorn; und seine Vorlagen erreichten in den meisten Fällen den Mitspieler. Auch der SC Dynamo besaß in Skaba einen Verteidiger, dessen Fähigkeit zum Mitkombinieren gute Voraussetzungen für die eigene Stürmerreihe schuf. Vor allem Ende der regulären Spielzeit wurde der Verteidiger immer stärker in die Kombinationen mit einbezogen. Auch von ihm gab es fast keinen Fehlpaß, wie uns überhaupt die fehlerfreie Zusammenarbeit der einzelnen Posten in der Dynamo-Hintermannschaft immer wieder stark beeindruckte. Dieses reibungslose und kluge Zusammenspiel gab den erforderlichen Rückhalt für die Stürmerreihe, in der besonders Schröter bis zum Zeitpunkt, da er körperlich beträchtlich nachließ, viele nutzbringende Aktionen einleitete. Daß dieses Übergewicht nicht seine Krönung fand, lag allein im Unvermögen der Dynamo-Angriffsreihe begründet.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hoffmann; Bley, Thiemann (93. Schäffner), Schröter, Quest
SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Thiele; Schlegel, B. Müller, S. Wolf; Seifert, M. Kaiser; Killermann; Zink, Erler, Tröger, Tautenhan (91. S. Kaiser)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             20.000

Redaktionskollektiv Rolf Gabriel, Hans Wolfrum, Dieter Buchspieß und Hermann Gehne, Neue Fußballwoche, 07.12.1958