FDGB-Pokal 1959 - 1. Hauptrunde: SC Aufbau Magdeburg - SC Dynamo Berlin 3:3 n. V.

Dreimal wurde Rückstand wettgemacht
Es paßte alles wunderbar zusammen an diesem Pokalsonntag: der azurblaue Maihimmel, die sommerlich bunt gekleideten Zuschauer und das überaus farbige, dramatische Spiel über die Mammutdistanz von 120 Minuten, was sofort das Fluidum eines Großkampfes hervorzauberte Die Prognosen ließen alle Möglichkeiten offen. Der Hausherr hat in diesem Jahr von genau 20 Spielen erst zwei verloren und ist auch in den Punktspielen ungeschlagen. Die Partner, die pokalerfahrene Elf des SC Dynamo, hatten den Vorteil der höheren Klasse. Wer wollte es da vorher wagen, einer Mannschaft den Vorzug zu geben? Beide Partner hatten außerdem das Trumpf-As der Technik in der Hand. So sagte mir Trainer Wittenbecher in einem Kurzinterview am Telefon über den taktischen Schlachtplan: "Wir wollen keinen Sieg um jeden Preis, das Spiel kommt uns jetzt mitten in der Meisterschaft recht ungelegen. Es ist zu schwer. Wir wollen vor allem spielerisch überzeugen. Gewinnen wird, wer das Mittelfeld schnell überbrückt".

Nun, die Spieler um Kapitän Hirschmann haben es verstanden, den taktischen Text ihres Trainers in eine klangvolle, spielerische Melodie umzusetzen. Es war erstaunlich, wie das junge Kollektiv, vor einer Woche im Freundschaftstreffen noch mit halber Kraft segelnd, hier gegen die routinierte und international erfahrene Mannschaft ins Zeug ging und Auswahl-Torwart Marquardt zum "Schwerarbeiter" machte. Als dann der schrille, langgezogene Pfiff von Schiedsrichter Vogel das Ende der regulären Spielzeit verkündete, hieß es 2:2. Dynamo hatte zweimal geführt, obwohl der SC Aufbau nicht einmal die Feldüberlegenheit abgeben mußte und wieder (wie schon so oft) mehr Torchancen als der Gegner hatte.

Es ist klar, daß bei einem solchen Spielverlauf die kämpferischen Elemente immer mehr in den Vordergrund rückten. Es war herrlich anzuschauen, welche Energieleistungen dabei beiderseits gezeigt wurden. Ob es Wiedemann war, der überall auftauchte und kraftvoll schoß, ob Hirschmann, an dessen Aktivität sich die anderen aufrichteten, ob Maschke bei Dynamo, der seine Stürmer immer wieder nach vorn in Marsch setzte, oder Bley, dessen Torgefährlichkeit den Berlinern neuen Mut zur Entscheidung gab, die alle holten sich ungeteilten Beifall des begeistert mitgehenden Publikums. Und noch ein Mann verdient hervorgehoben zu werden: Willi Marquardt im Dynamo-Tor. Ich sah ihn seit 1956 das erste Mal wieder zwischen den Pfosten. Er ist ausgeglichener geworden, mit kaltblütiger Ruhe glänzte er durch fabelhafte Paraden. Um so bedauerlicher, daß er in der 80. Minute vom Schuh Hirschmanns am Kopf getroffen wurde. Wir wünschen ihm baldige Genesung!

SC Aufbau Magdeburg:
Michallak; Röpke, gifhorn, Müller; Kubisch, Weimann; Strübing (106. Gravert), Eckardt, Wiedemann, Hirschmann, Stöcker
SC Dynamo Berlin:
Marquardt (80. Klemm); Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Basel; Hoffmann (106. Vellebil), Bley, Thiemann, Schröter, Quest

0:1 Bley               (27.)
1:1 Eckhardt           (53.)
1:2 Thiemann           (69.)
2:2 Kubisch            (72.)
2:3 Bley               (103.)
3:3 Hirschmann         (106.)

Schiedsrichter:        Vogel (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             7.000

Günther Honig, Neue Fußballwoche, 26.05.1959