FDGB-Pokal 1957 - Viertelfinale: SC Dynamo Berlin - BSG Rotation Babelsberg 2:1

Heines Scharfschüsse versetzten Pokal-K.-o.
Das Wetter war trostlos. Es regnete Bindfaden, und ein stürmischer Wind machte den Aufenthalt im Freien zu alles anderem als zum Vergnügen. Kein Wunder, daß es die Berliner vorzogen, zu Hause zu bleiben. So bestimmten die mitgekommenen treuen Babelsberger Anhänger die Stimmenkulisse, so daß man eher glaubte, auf dem Karl-Liebknecht-Sportplatz zu sein. Der Beginn des Fast-Lokalderbys war verheißungsvoll. Dynamo, mit dem stürmischen Wind im Rücken, holte nacheinander fünf Eckbälle heraus, die aber nichts einbrachten, weil der junge Noske jedesmal voll auf dem Posten war und, was sich auch im weiteren Verlauf des Spiels zeigte, sein Talent unter Beweis stellte. Nicht minder gefährlich waren die Gegenstöße des jungen Gästesturmes. Zweimal hielt für den schon geschlagenen Klemm der Torpfosten das Leder auf. Diese fünf Anfangsminuten waren aber schnell vom Winde verweht.

Was dann kam, ließ einem sofort wieder die Unbilden der Witterung spürbar werden. Abgesehen von einigen wenigen Einzelaktionen paßte sich das Spielniveau den äußeren Verhältnissen an. Keine Mannschaft fand den Faden, der das Mannschaftsspiel zu einem Ganzen verknüpft hätte. Deshalb hatten die auf beiden Seiten nicht ganz sattelfesten Abwehrreihen wenig Mühe, um die Angriffe abzustoppen. Das wurde erst nach Wiederbeginn etwas anders, als sich Dynamo wenigstens einigermaßen seines Könnens besann. In diesen zwanzig Minuten fiel dann auch die Entscheidung. Zunächst platzierte Heine einen von Adam verursachten Strafstoß mit straffem Schuß in die rechte Ecke, und zehn Minuten später knallte derselbe Spieler freistehend aus achtzehn Metern haarscharf in die andere Ecke ein. Noch einmal erhielt die Begegnung Farbe, nachdem der schon resignierende Schöne ungedeckt den Ball erhielt, den herausstürmenden Klemm elegant umspielte und das Streitobjekt ins leere Tor schob.

Nun verursachte Rotation mit aller Macht noch zum Ausgleich zu kommen. Aber es fehlte die Kraft. Gerechterweise zog somit Dynamo in die Vorschlußrunde ein, wo es auf Lok Leipzig oder die diesjährige Pokalüberraschung, Chemie Bitterfeld, trifft. Man kann bei Spielen unter solchen Witterungsbedingungen, wie sie am Sonntag herrschten, keinen scharfen kritischen Maßstab an die Leistungen anlegen, damit würde man den Aktiven nicht gerecht werden. Andererseits zeigte sich aber gerade unter diesen schwierigen Verhältnissen , was in einem Spieler steckt, wo wirkliches Können vorhanden ist. In diesem Pokalkampf war es nur bei Schröter zu spüren. Babelsberg hat am vergangenen Mittwoch in einem begeisternden Spiel Vorwärts mit 4:3 geschlagen. Rotation war am Sonntag von dieser Form weit entfernt. Die Ursache sehe ich darin, daß diesmal Hans Schöne, wahrscheinlich gehen jetzt drei Spiele in der Woche über seine Kräfte, nicht in der Verfassung war, die jungen Talente zu dirigieren, weil kein anderer dazu in der Lage ist, zumal das Spiel der Läufer doch erheblich der Konstruktivität entbehrt.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schneider, Skaba; Schäffner, Maschke; Heine (78. Thiemann), Hofmann, Legler, Schröter, Matzen
BSG Rotation Babelsberg:
Noske; Pillau, Bartolomäus, Jeronymus; Adam, Simon; Anders, Aldermann, Selignow, Schöne, Dressler (76. Harbolla)

1:0 Heine              (55., Foulstrafstoß)
2:0 Heine              (65.)
2:1 Schöne             (84.)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             1.500

Rolf Gabriel, Neue Fußballwoche, 10.12.1957